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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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ging sofort wieder zum Angriff über, wobei sich ihre Stimme, wohl mit Rücksicht auf ihren Mann, nie über ein Flüstern erhob, ganz gleich, welch schweres Geschütz sie auffuhr. »Sie meinen, diese Gorillas können in die Stadt kommen, wann immer es ihnen beliebt, und in unsere Häuser eindringen, unsere Kinder entführen und einen Verletzten einfach hilflos liegenlassen?« Hier deutete sie auf ihren Mann, aber der Appell wirkte allzu theatralisch und daher wenig überzeugend. Und bei aller berechtigten Empörung schien sie ganz zu vergessen, daß ihr Mann und sie beschuldigt wurden, illegal ein Kind adoptiert zu haben, und daß Dottor Pedrolli unter Arrest stand.
    »Signora, ich möchte Ihren Gatten nicht beunruhigen.« Das schien sie milder zu stimmen, und so fuhr Brunetti fort: »Wenn ich eine Schwester finde, die bei ihm bleibt, würden Sie sich dann draußen auf dem Flur mit mir unterhalten?«
    »Wenn Sie in diesem Haus eine Schwester auftreiben, dann sind Sie geschickter als ich. Ich habe, seit man mich hergeführt hat, keinen Menschen zu Gesicht bekommen.« Sie war immer noch wütend, aber jetzt doch etwas gefaßter. »Die lassen ihn einfach ungerührt hier liegen.«
    Brunetti war klug genug, darauf nichts zu erwidern, sondern hob bloß begütigend die Hand.
    Der Carabiniere saß noch immer vor der Tür, sah aber nur kurz auf, als Brunetti aus dem Krankenzimmer kam. Am Ende des Ganges war gerade die Tagesschicht eingetroffen, zwei Frauen mittleren Alters in der heute üblichen Schwesterntracht: Jeans und Pulli unter halblangen weißen Kitteln. Die größere von beiden trug rote Schuhe; die andere hatte weißes Haar.
    Brunetti nahm seinen Dienstausweis aus der Brieftasche und zeigte ihn vor. »Ich bin wegen Dottor Pedrolli hier«, sagte er.
    »Weshalb?« fragte die mit den roten Schuhen. »Finden Sie nicht, daß Sie schon genug angerichtet haben?«
    Die Weißhaarige legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm, als fürchte sie, ihre Kollegin und Brunetti würden gleich aufeinander losgehen. Nicht gerade sanft zupfte sie die andere am Ärmel und mahnte: »Nimm dich in acht, Gina.« Und an Brunetti gewandt: »Was wollen Sie?« Wenn ihr Ton auch nicht so barsch war wie der ihrer Kollegin, schien doch auch sie den Commissario dafür verantwortlich zu machen, daß Dottor Pedrolli nun als Patient auf der Station lag.
    Die Schwester namens Gina wollte indes nicht so leicht klein beigeben. Sie schnaubte verächtlich, hörte nun aber wenigstens zu, und so fuhr Brunetti in seiner Erklärung fort. »Ich war um drei Uhr früh schon einmal hier, um das Opfer eines Überfalls aufzusuchen. Meine Leute haben damit nichts zu tun!«
    Zumindest die weißhaarige Schwester schien ihm zu glauben, wodurch die Angespanntheit etwas nachließ. »Kennen Sie Dottor Pedrolli?« fragte Brunetti, nur an sie gewandt.
    Die Schwester nickte. »Bis vor zwei Jahren habe ich auf der Kinderstation gearbeitet, und dort konnte ihm keiner das Wasser reichen. Er war der Beste, glauben Sie mir. Manchmal hatte ich das Gefühl, daß er sich als einziger wirklich für die Kinder engagierte: Jedenfalls hat er allein Wert darauf gelegt, daß man mit ihnen spricht und ihnen zuhört. Er hat die meiste Zeit auf der Station verbracht; bei der kleinsten Kleinigkeit war er zur Stelle. Und wir vom Pflegepersonal hielten uns alle an ihn, wenn irgend etwas los war, auch nachts. Er gab einem nie das Gefühl, daß man ihn nicht hätte stören dürfen.«
    Brunetti lächelte beifällig und wandte sich an die Schwester mit den roten Schuhen. »Kennen Sie ihn auch?«
    Die Angesprochene schüttelte den Kopf. Doch da stupste die Weißhaarige sie am Arm. »Komm schon, Gina. Faß dir ein Herz«, sagte sie, bevor sie die Kollegin wieder losließ.
    »Ich habe nie mit ihm gearbeitet, Sandra«, entgegnete Schwester Gina. An Brunetti gewandt, räumte sie jedoch ein: »Gut, ich bin ihm manchmal begegnet, in der Cafeteria oder auf dem Flur, aber ich glaube nicht, daß wir je miteinander gesprochen haben - also, außer daß man sich grüßte oder so.« Auf Brunettis ermunterndes Nicken hin fuhr sie fort. »Ich habe allerdings von ihm gehört, wie wahrscheinlich alle hier früher oder später. Er ist ein guter Mensch.«
    »Und ein guter Arzt«, fügte Sandra hinzu. Da offenbar weder Brunetti noch Gina sich weiter dazu äußern wollten, wechselte sie das Thema. »Ich habe das Krankenblatt gelesen. Sie wissen nicht, was ihm fehlt. Dottor Damasco will am Vormittag weitere

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