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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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der anderen Commissarii die Vollmacht erteilt, dann wäre ihm das sicher zu Ohren gekommen. Aber von einem solchen Amtshilfeersuchen war nie die Rede gewesen, weder vor noch nach der Razzia. Für einen flüchtigen Moment zog Brunetti die Möglichkeit in Betracht, daß die Carabinieri ihre Razzia ohne Wissen der venezianischen Polizei veranstaltet und von dem Richter, der den Einsatz bewilligte, grünes Licht bekommen hätten für diesen Alleingang. Doch er verwarf den Gedanken gleich wieder: Zu oft schon war es aufgrund unabgesprochener Aktionen verschiedener Polizeieinheiten zu Schießereien gekommen, die stets ein gewaltiges Medienecho hervorriefen, als daß ein Richter sich heute noch auf ein derartiges Wagnis einlassen würde.
    Mithin blieb wohl nur eine Erklärung übrig: Inkompetenz. Wie leicht konnte das passiert sein: Eine falsch adressierte Mail; ein Fax, das zwar gelesen, aber dann verlegt wurde oder verlorenging; eine telefonische Nachricht, die nicht notiert und weitergeleitet worden war. Die Deutung, die am leichtesten alle Fakten abdeckt, ist für gewöhnlich die richtige. Obwohl Brunetti niemals in Abrede gestellt hätte, daß Betrug und Täuschungsmanöver in der Questura an der Tagesordnung waren, wußte er doch, daß viel öfter schlichte Unfähigkeit ihre Arbeit behinderte. Ihn wunderte bloß, warum er das so tröstlich fand.

11
    B runetti wartete fast bis um zwei auf Signorina Elettra und das Ergebnis ihrer Recherchen über die Festnahmen der vergangenen Nacht. Als sie nicht erschien, machte er sich auf den Weg ins Sekretariat. Durch die geschlossene Tür von Pattas Büro hörte er die Stimme seines Vorgesetzten und erriet aus den langen Pausen zwischen seinen Sätzen, daß der Vice-Questore telefonierte. Von Signorina Elettra keine Spur. Brunetti nahm an, sie entschädige sich für den geopferten freien Vormittag und würde nach eigenem Belieben an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
    Für ein Mittagessen zu Hause war es inzwischen zu spät, und auch die meisten Restaurants im Viertel würden jetzt keine warmen Mahlzeiten mehr servieren. Also machte Brunetti sich auf die Suche nach Vianello, um ihn zu fragen, ob er Lust habe, ihn auf ein Panino in die Bar an der Brücke zu begleiten. Doch im Bereitschaftsraum traf er weder den Inspektor an noch Pucetti, sondern nur Alvise, der ihn mit seinem einfältigen Lächeln begrüßte.
    »Haben Sie Vianello gesehen, Alvise?« erkundigte sich Brunetti.
    Der Commissario konnte beobachten, wie der Beamte sein Hirn in Gang setzte: Bei Alvise spiegelte sich nämlich jeder Denkvorgang in den Gesichtszügen wider. Zuerst zog er die Frage in Betracht, dann den Fragesteller und schließlich die möglichen Konsequenzen seiner jeweiligen Antwort. Jetzt schossen seine Blicke durchs Zimmer, als prüfe er, ob es immer noch so leer war wie bei Brunettis Eintreten; oder vielleicht wollte er sich auch nur vergewissern, daß er Vianello nicht womöglich unter einem der Schreibtische übersehen hätte. Nachdem feststand, daß niemand da war, der ihm bei der Suche nach der richtigen Antwort hätte soufflieren können, machte Alvise endlich den Mund auf. »Nein, Commissario.« Zwei Worte, die er so nervös hervorstieß, daß er Brunetti damit auf die Sprünge half: Vianello war in eigener Sache außerhalb der Questura unterwegs, hatte Alvise aber gesagt, wo er hinwollte.
    Der Köder war so verlockend, daß Brunetti nicht widerstehen konnte. »Ach, Alvise, ich gehe auf ein Panino runter ans Eck. Wollen Sie mir Gesellschaft leisten?«
    Alvise raffte einen Haufen Papiere zusammen und hielt ihn Brunetti unter die Nase. »Bedauere, Commissario, ich muß das alles noch durcharbeiten. Aber haben Sie vielen Dank. Ihre Einladung ehrt mich.« Und schon beugte er sich geschäftig über das erste Blatt. Brunetti trollte sich belustigt, fühlte sich aber zugleich auch ziemlich schäbig, weil er Alvise so auf den Arm genommen hatte.
    Als der Commissario die Bar betrat, stand Vianello am Tresen, vor sich ein halbes Glas Weißwein, und las Zeitung.
    Zuerst essen, dann reden. Brunetti zeigte auf die Tramezzini, die er haben wollte, und bestellte bei Sergio ein Glas Pinot Grigio, bevor er sich zu Vianello stellte. »Steht was drin?« fragte er und deutete auf die Zeitung.
    Den Blick auf die Schlagzeilen geheftet, die sich über die jüngsten internen Machtkämpfe ereiferten, in denen die verschiedenen Parteien um die besten Plätze am Futtertrog buhlten, antwortete Vianello: »Weißt du, früher

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