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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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aber ich rede davon, wie es war, bevor Millionen von Touristen die Stadt überschwemmten.«
    »Alle auf der Suche nach dieser luftigleichten Brioche und dem himmlischen Cappuccino?«
    »Genau. Nicht zu vergessen die kleine Trattoria, wo nur Einheimische verkehren.«
    Brunetti trank den letzten Schluck Grappa, stützte den Kopf gegen die Sofalehne und umschloß das Glas mit beiden Händen. »Sag mal, kennst du eine Bianca Marcolini? Sie ist die Frau von diesem Kinderarzt, Gustavo Pedrolli.«
    Paola sah ihn aufmerksam an. »Der Name ist mir nicht unbekannt. Bankkauffrau. Außerdem Mitglied im Lions Club und bei allerlei Benefizaktionen - Rettet Venedig und so - aktiv.« Paola hielt inne, und Brunetti hörte förmlich, wie sie in ihrem Gedächtnis blätterte. »Falls es die Marcolini ist, die ich meine - will sagen, wenn sie aus der Linie stammt, auf die ich tippe -, dann kennt mein Vater ihren Vater.«
    »Privat oder geschäftlich?«
    Darüber schmunzelte sie unwillkürlich. »Nur geschäftlich. Mit einem wie diesem Marcolini würde mein Vater nicht gesellschaftlich verkehren.« Paola sah, mit welcher Miene Brunetti dies aufnahm, und fügte hinzu: »Ich weiß, was du von der politischen Ausrichtung meines Vaters hältst, Guido, aber ich versichere dir, daß selbst er die politischen Ansichten eines Marcolini verabscheut.«
    »Und warum genau?« fragte Brunetti, obwohl er nicht überrascht war. Conte Orazio Falier war ein Mann, der generell nicht viel von Politikern hielt, egal ob sie dem rechten oder dem linken Flügel angehörten. Und hätte es in Italien eine ernstzunehmende politische Mitte gegeben, so hätte der Conte zweifellos einen Grund gefunden, auch die zu verachten.
    »Papà hat ihn faschistischer Tendenzen beschuldigt.«
    »Öffentlich?« wollte Brunetti wissen.
    Wieder mußte Paola schmunzeln. »Wann hätte mein Vater sich je öffentlich zu einer politischen Äußerung hinreißen lassen?«
    »Ich ziehe die Frage zurück.« Trotzdem konnte Brunetti sich kaum eine politische Position vorstellen, die ein Mann wie der Conte für faschistisch erklären würde.
    »Bist du übrigens mit den Gesandten schon durch?« Die Frage schien ihm diplomatischer, als gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und sich zu erkundigen, ob Paola bereits mit der Internetrecherche für ihn begonnen habe.
    »Nein.«
    »Gut, dann vergiß die Nachforschungen, um die ich dich gebeten hatte.«
    »Zum Thema Unfruchtbarkeit?«
    »Ja.« Paola wirkte sichtlich erleichtert. »Aber ich möchte dich bitten, deine muschelförmigen Öhrchen aufzusperren, falls du mal irgendwas über Bianca Marcolini und ihre Familie mitbekommst.«
    »Einschließlich des gräßlichen Vaters und seiner noch gräßlicheren Politik?«
    »Ja, bitte.«
    »Und wird die Polizei mich dafür entlohnen, oder zählt das zu meinen staatsbürgerlichen Pflichten?«
    Brunetti erhob sich von seinem Platz. »Die Polizei spendiert dir noch einen Grappa.«

12
    B runetti schlief fast bis neun. Dann schlappte er in die Küche und sah die Zeitungen durch, die Paola frühmorgens geholt und ihm dagelassen hatte, als sie in die Universität ging. Sämtliche Blätter veröffentlichten die Namen derjenigen, die bei der nächtlichen Razzia festgenommen worden waren. Daß die Carabinieri immer noch nach dem mutmaßlichen Drahtzieher des illegalen Babyhandels fahndeten, stand allerdings nur im Corriere della Sera. Und das Schicksal der Kinder, die laut La Repubblica zwischen einem und drei Jahre alt waren, hatte man offenbar in keiner der Redaktionen thematisiert.
    Das Gelesene gab Brunetti zu denken: Wenn schon ein so prosaischer Mensch wie Alvise ausgerastet war, als er erfuhr, daß man ein achtzehn Monate altes Baby von seinen Adoptiveltern getrennt hatte - wie würden dann erst die betroffenen Eltern eines Dreijährigen solch einen Willkürakt empfinden?
    Der Commissario begab sich auf direktem Weg in sein Büro, wo ihn der übliche Papierkrieg erwartete: Pläne zur Stellenbesetzung, Beförderungsanträge, neue Richtlinien für die Registrierung von Schußwaffen. Wesentlich interessanter war dagegen eine Nachricht von Vianello. Der Inspektor schrieb, er treffe sich mit jemandem zu einem Gespräch über »seine Dottori«. Wohlgemerkt, nicht mit ihnen, sondern über sie, woraus Brunetti schloß, daß Vianello wieder einmal auf eigene Faust ermittelte und jener mutmaßlichen Pharma Connection nachspürte, bei der angeblich drei Fachärzte vom Ospedale Civile mit mindestens einem, wenn nicht

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