Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume
Zeitungen, Zeitschriften oder Regierungsberichten zu finden sein. Er versuchte, sich darauf zu besinnen, in welchem Zusammenhang er Fornaris Namen zum ersten Mal gehört hatte. Geld und die Guardia di Finanza spielten sicher eine Rolle, denn als vor ein paar Tagen etwas über die Steuerfahndung in der Zeitung stand, hatte er plötzlich Fornaris Namen im Hinterkopf gehabt.
Ein ehemaliger Klassenkamerad war inzwischen Hauptmann bei der Guardia di Finanza, und Brunetti erinnerte sich immer noch mit großem Vergnügen an den Nachmittag vor drei Jahren, den sie gemeinsam in der Lagune verbracht hatten. Ihm, der nur die Barkassen von Polizei und Carabinieri gewohnt war, hatten die gewaltigen Turbinen des Patrouillenboots, die aussahen wie aus einem Actionfilm, mächtig imponiert. Und während der Bootsführer sie durch den Canale di San Nicola steuerte und dann den Motor hochjagte, als wollte er geradewegs die Inseln vor der kroatischen Küste ansteuern, da bekam der Begriff »Hochgeschwindigkeit« für Brunetti eine ganz neue Bedeutung. Aus der Spritztour, die sein Freund, der Capitano, als »Kontaktpflege zwischen den Polizeieinheiten« gerechtfertigt hatte, war, mit vollem Einverständnis des Bootsführers, ein übermütiger Schulausflug geworden, mit viel Gejohle und Schulterklopfen, der noch lange kein Ende gefunden hätte, hätte man nicht über Funk ihre Standortposition angefordert.
Der Bootsführer hatte, ohne Meldung zu machen, eine rasante Wende hingelegt und Kurs auf die Stadt genommen. Die Fischerboote in der Lagune umkurvte er wie kleine Inseln und bretterte durchs Kielwasser eines Kreuzfahrtschiffs, das den Hafen von Venedig ansteuerte.
»Kreuzfahrtschiffe!«, entfuhr es Brunetti, als sein Gedächtnis anschlug. Richtig, von seinem alten Schulkameraden hatte er zum ersten Mal den Namen Giorgio Fornari gehört. Die beiden waren ebenfalls befreundet, und Fornari hatte den Capitano auf eine abenteuerliche neue Variante der Touristenabzocke aufmerksam gemacht.
Wie Fornari von einem Ladenbesitzer aus der Via XXII Marzo erfahren hatte, warnte man die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen regelmäßig davor, in Venedig einzukaufen oder essen zu gehen, weil sie dort übers Ohr gehauen würden oder Gefahr liefen, sich den Magen zu verderben. Da die Passagiere mehrheitlich Amerikaner waren, die sich ohnehin nur vor dem heimischen Fernseher in Sicherheit wähnten, fielen sie prompt darauf herein und waren froh und dankbar, wenn die Schiffsleitung ihnen eine Liste mit vertrauenswürdigen Läden und Restaurants zur Verfügung stellte. Bei den darauf angegebenen Adressen, so versprach man ihnen, seien sie nicht nur vor Betrug und anderer Unbill gefeit, sondern würden, gegen Vorlage ihres Passagierausweises, auch noch zehn Prozent Rabatt bekommen.
Der Hauptmann wollte sich ausschütten vor Lachen, als er Brunetti davon erzählte. Die Schiffsbesatzungen taten ein übriges und veranstalteten nach dem Landgang eine Lotterie, bei der die Passagiere ihre Einkaufsbelege oder Restaurantquittungen einsetzen und ihre Gewinnchancen je nach Höhe der ausgegebenen Beträge steigern konnten.
»Alle Mann glücklich und zufrieden mit ihren Schnäppchen«, hatte der Hauptmann mit einem wölfischen Grinsen kommentiert. Tags darauf wurde dann die Schiffsbesatzung bei den »vertrauenswürdigen« Geschäftsleuten und Restaurantbesitzern vorstellig und kassierte ihre zehn Prozent, ein bescheidenes Entgelt dafür, dass die betreffenden Läden und Lokale auf der Liste erschienen. Und wenn einer versuchte, den Umsatz, den er mit den Passagieren gemacht hatte, herunterzuspielen, konnte man ihm die Quittungen unter die Nase halten.
Signor Fornari hatte sich bei dem Capitano erkundigt, wie man dieser Unsitte Einhalt gebieten könne. Und von ihm den freundschaftlichen Rat bekommen, er solle seinen Mund halten und dies auch dem Ladenbesitzer aus der Via XXII Marzo empfehlen. Fornari hatte das für falsch gehalten, und Brunetti erinnerte sich, dass der Hauptmann gesagt hatte: »Stell dir vor, er war mir direkt böse deswegen. Was sagt man dazu?«
Ein solcher Vorfall ergab zwar noch kein Porträt von Fornari, aber vielleicht doch einen ganz guten Schnappschuss. Zumindest in dieser Situation hatte er sich als ehrlicher Mann gezeigt. Besonders empört war er offenbar darüber, dass Fremde - die Schiffseigner waren allesamt Ausländer Venedig ungestraft für ihre Schiebereien missbrauchten. Woraufhin der Capitano ihm klarmachte, dass ein solches
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