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Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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der anderen Frau?«
    »Meinen Sie die vom Sozialamt?« »Nein! Die, bei der Sie wegen des Schmucks waren.« »Das Mädchen muss in ihrer Wohnung gewesen sein«, antwortete Brunetti. Patta wollte etwas einwerfen, doch er kam ihm zuvor: »Wie lassen sich sonst der Ring und die Uhr erklären?« Er merkte gerade noch rechtzeitig, dass er zu viel Interesse zeigte, und schaltete einen Gang zurück. »Ich wüsste nicht, wie sie sich die Sachen beschafft haben könnte.«
    »Aber das hat doch nichts zu sagen, oder?«, fragte Patta. »Kein Grund anzunehmen, dass ihr in der Wohnung etwas zugestoßen und dass sie nicht einfach gestolpert und runtergefallen ist. Mein Gott, es stürzen doch dauernd Leute vom Dach.«
    Brunetti wusste von einem einzigen Fall in den letzten zehn Jahren, aber er hütete sich, Patta zu widersprechen. Vielleicht waren in Pattas Heimatstadt Palermo die Dächer ja gefährlicher, wie so vieles andere auch.
    »Diese Kinder arbeiten in der Regel zu mehreren, Vice-Questore«, sagte er.
    »Ich weiß, ich weiß!« Patta wedelte mit der Hand in Brunettis Richtung, als gälte es, eine besonders lästige Fliege zu verscheuchen. »Aber auch das hat letztlich nichts zu sagen.«
    Kaum, dass Brunetti wie eine echte Fliege seine Fühler ausstreckte, empfing er merkwürdige Schwingungen, die eindeutig von Patta ausgingen; sei es von seinen Augen, seinem Tonfall oder den Fingern seiner rechten Hand, die hin und wieder verstohlen nach dem Blatt Papier tasteten und gleich wieder zurückzuckten.
    Brunetti legte sein Gesicht in grüblerische Falten. »Ich glaube, Sie haben recht, Vice-Questore«, sagte er endlich mit einem gebührenden Maß an Enttäuschung in der Stimme. »Trotzdem könnte ein Gespräch mit ihnen hilfreich sein.« »Mit wem?«
    »Na, den anderen Kindern.«
    »Kommt nicht in Frage«, dröhnte Patta unbeherrscht. Doch dann fuhr er, offenbar ebenso erschrocken über seine Lautstärke wie Brunetti, in gemäßigterem Ton fort. »Ich wollte sagen, es ist zu kompliziert: Sie bräuchten eine Genehmigung vom Minderjährigengericht, dann jemanden vom Sozialamt, der Sie begleitet und während der Befragung anwesend ist, und außerdem noch einen Dolmetscher.« Es schien, als sei für Patta der Fall damit erledigt, aber nach einer wohlüberlegten Pause setzte er hinzu: »Außerdem hätten Sie keinerlei Gewähr, ob Sie überhaupt die richtigen Kinder erwischt haben.« Sein Kopfschütteln machte jede Hoffnung zunichte, dass einer wie der Commissario all diese Hürden überwinden könnte.
    Brunetti zuckte ergeben mit den Schultern. »Ich verstehe, was Sie meinen, Signore«, antwortete er leise und bar jeder Ironie. Denn er konnte Pattas Beweggründe tatsächlich nachvollziehen: Bevor eine Familie aus dem wohlsituierten Mittelstand in die Schusslinie geriet, unterband man am besten alle Aufklärungsversuche darüber, was auf dem Dach passiert war.
    Brunetti verhielt sich wie eine Schnecke, die sich, sobald ihre Fühler auf ein Hindernis stoßen, in ihr Haus verkriecht. »Ich hatte die Tragweite des Ganzen nicht bedacht, Signore«, gestand er widerwillig. Und wartete gespannt, ob Patta einen weiteren Nagel in den Sarg seiner Hoffnungen treiben würde.
    Als das nicht geschah, sprang Brunetti für ihn ein: »Im übrigen würden diese Kinder vor Gericht sowieso nie aussagen, nicht wahr?«
    »Eben, eben«, bekräftigte Patta. Er stieß sich von der Schreibtischkante ab, ging um das Möbel herum und nahm auf seinem Stuhl Platz. »Erkundigen Sie sich, ob man was für die Mutter tun kann.« Den Auftrag übernahm Brunetti nur zu gern, denn um zu erfahren, wie man der Frau helfen könne, würde er auf jeden Fall noch einmal mit ihr reden müssen.
    »Dann will ich Sie nicht länger aufhalten, Signore«, sagte Brunetti.
    Patta war bereits so in seine Akten vertieft, dass er keine Antwort mehr gab, und Brunetti überließ ihn seinen Geschäften. Signorina Elettra nickte ihm zu, als er aus Pattas Büro kam. »Der Vice-Questore«, sagte er mit einem Blick zur Tür, die er vorsorglich offen gelassen hatte, »hält es für zwecklos, den Fall weiterzuverfolgen.«
    Mit einem Blick zur Tür hin lieferte sie ihm das Stichwort für seinen nächsten Satz: »Und Sie teilen offenbar seine Meinung, Commissario?«
    »Doch, ja. Das arme Ding ist vom Dach gestürzt und im Kanal ertrunken.« Plötzlich fiel ihm ein, dass ja noch gar keine Vorkehrungen wegen der Leiche getroffen worden waren. Jetzt, wo Patta die Ermittlungen eingestellt hatte, müsste

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