Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
blätterte um und schenkte seine Aufmerksamkeit der Meldung über die Abschiedsparty für einen Grundschullehrer in Giacinto Gallina, der nach vierzig Jahren Dienst an immer derselben Schule in den Ruhestand gegangen war.
    »Guten Morgen, Commissario«, sagte Alvise leise hinter ihm.
    »Morgen, Alvise.« Brunetti riss sich vom Studium des Partyfotos los und drehte sich zu dem Beamten um.
    Scarpa schien zu glauben, nur weil auch er ranghöher als Alvise sei, stehe er mit Brunetti auf einer Stufe, und grüßte ihn daher lediglich mit einem knappen Nicken, das Brunetti erwiderte, bevor er sich wieder dem Bericht über die Party zuwandte. Die Kinder hatten Blumen und selbstgebackene Kekse mitgebracht.
    Als die beiden gegangen waren, faltete Brunetti die Zeitung zusammen und fragte: »Kommen die oft hierher?«
    »Zwei-, dreimal die Woche, würde ich sagen.« »Immer so?«, fragte Brunetti und zeigte auf die beiden Männer, die Seite an Seite zur Questura zurückschlenderten.
    »Wie beim ersten Rendezvous, meinen Sie?«, fragte Sergio und stellte das Glas umgedreht auf die Anrichte hinter sich.
    »So etwa.«
    »Das geht jetzt seit ungefähr sechs Monaten so. Am Anfang war der Tenente irgendwie zickig, und Alvise musste schwer rackern, um ihn freundlich zu stimmen.« Sergio nahm ein anderes Glas, hielt es prüfend ans Licht und rieb es trocken. »Der arme Teufel hat nicht mitgekriegt, was Scarpa für ein Spiel mit ihm trieb.« Und im Plauderton: »Ein echter Mistkerl ist das.«
    Brunetti schob dem Barmann seine Tasse hin, und der stellte sie in die Spüle.
    »Haben Sie mitbekommen, worüber die beiden reden?«, fragte Brunetti.
    »Das spielt wohl keine Rolle. Nein.« »Warum?«
    »Scarpa will bloß Macht ausüben. Der arme Alvise soll springen, wenn er ›spring‹ sagt, und lächeln, wenn er etwas von sich gibt, das er für komisch hält.«
    »Warum?«
    Sergios Schulterzucken sprach Bände. »Wie gesagt, weil er ein Mistkerl ist. Und weil er einen braucht, den er herumschubsen kann, einen, der ihn wie ein hohes Tier behandelt, den Herrn Tenente, nicht so wie die anderen, die so klug sind, ihn wie das miese kleine Arschloch zu behandeln, das er ist.«
    Während dieses Gesprächs war Brunetti keine Sekunde lang der Gedanke gekommen, er stifte einen Bürger an, schlecht von einem Ordnungshüter zu reden. Insgeheim hielt auch er Scarpa für ein mieses kleines Arschloch, und der Bürger bestätigte daher nur, was der Ordnungshüter ohnehin dachte.
    Brunetti wechselte das Thema. »Hat gestern jemand für mich angerufen?«
    Sergio schüttelte den Kopf. »Die Einzige, die gestern hier angerufen hat, war meine Frau; sie hat aber nur gesagt, wenn ich nicht um zehn nach Hause komme, gibt es Ärger. Und der Betriebsprüfer; der hat gesagt, ich habe bereits Ärger.«
    »Mit wem?«
    »Mit dem Hygienekontrolleur.« »Warum?«
    »Weil ich keine Toilette für Behinderte habe. Ich meine Leute mit anderen Fähigkeiten.« Er spülte Tasse und Untertasse aus und stellte sie in die Spülmaschine hinter sich.
    »Ich habe hier drin noch nie einen Behinderten gesehen«, sagte Brunetti.
    »Ich auch nicht. Der Hygienekontrolleur auch nicht. Das ändert aber nichts an der Vorschrift, dass ich eine Toilette für solche Leute haben muss.«
    »Und das heißt?«
    »Handlauf. Spezialbrille, Knopf an der Wand für die Spülung.«
    »Und warum wollen Sie das nicht?« »Weil der Umbau mich achttausend Euro kosten würde, darum.«
    »Kommt mir schrecklich teuer vor.« »Da ist die Zulassung mit drin«, sagte Sergio ausweichend.
    Brunetti beschloss, nicht weiter nachzubohren, und sagte nur noch: »Hoffentlich kriegen Sie keine Schwierigkeiten.« Er legte einen Euro auf den Tresen, dankte Sergio und ging ins Büro zurück.

14
    G riffoni kam gerade aus der Questura, als Brunetti dorthin zurückkehrte; er sah sie schon von weitem, winkte ihr freundlich zu und beschleunigte seine Schritte. Doch beim Näherkommen bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. »Was ist los?«
    »Patta sucht Sie. Er hat angerufen und gefragt, wo Sie stecken. Vianello sei nicht zu erreichen, und dann hat er mich losgeschickt, Sie zu suchen.«
    »Was ist denn los?«
    »Das wollte er mir nicht sagen.«
    »Wie ist er?«
    »Schlimmer, als ich ihn je erlebt habe.« »Wütend?«
    »Nein, nicht wütend, nein«, antwortete sie und schien selbst überrascht. »Na ja, irgendwie schon, aber so, als ob er wüsste, dass es ihm nicht gestattet ist, wütend zu sein. Ich würde eher sagen, er ist

Weitere Kostenlose Bücher