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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunetti«, fauchte Patta empört.
    Brunetti unternahm keinen Versuch, seine Verständnislosigkeit zu verbergen, und sagte naiv: »Aber Sie müssen gehen, Dottore.« Er vermutete, dass ein Fall wie dieser landesweit für Aufsehen sorgen würde, aber das zählte nicht zu den Dingen, die er Patta auf die Nase binden wollte.
    »Sie glauben, diese Ermittlung wird sich hinziehen?«, fragte Patta.
    Brunetti erlaubte seinen Schultern ein kaum merkliches Zucken. »Das kann ich unmöglich beurteilen, Signore, aber solche Fälle tendieren gelegentlich dazu.« Er hatte selbst keine Ahnung, was er mit »solchen Fällen« meinte, aber die Aussicht auf langwierige Anstrengungen müsste reichen, Patta zu entmutigen.
    Patta beugte sich vor und setzte ein Lächeln auf. »Ich denke, da Sie, Brunetti, mit ihm gesprochen haben, sollten Sie auch als unser Vertreter dort hinfahren.«
    Brunetti suchte noch nach dem angemessenen Ton bescheidenen Widerstrebens, als Patta fortfuhr: »Er wurde in Marghera getötet, Brunetti. Das ist unser Bezirk, unser Zuständigkeitsbereich. Für einen solchen Fall ist ein Commissario genau der richtige Mann, und deshalb ist es das Vernünftigste, wenn Sie dort hinfahren und sich das ansehen.«
    Brunetti hob zum Protest an, aber Patta fuhr ihm dazwischen: »Nehmen Sie diese Griffoni mit. Auf die Weise treten wir dort gleich mit zwei Commissari an.« Patta lächelte mit grimmiger Befriedigung, wie ein Schachspieler, dem ein cleverer Zug einfällt. Beziehungsweise Damespieler. »Ich möchte, dass Sie beide dort hinfahren und sehen, was Sie herausfinden können.«
    Brunetti erhob sich. Er tat sein Bestes, verstimmt und widerwillig zu erscheinen. »Wie Sie meinen, Vice-Questore, aber ich denke nicht, dass - «
    »Was Sie denken, ist unwichtig, Commissario. Ich habe Ihnen gesagt, ich will, dass Sie beide dort hinfahren. Und wenn Sie da sind, ist es Ihre Pflicht, diesem Capitano zu zeigen, wer die Leitung innehat.«
    Seine Vernunft hielt Brunetti davon ab, die Rolle des plumpen Querkopfs zu übertreiben. Zuweilen war selbst Patta imstande, das Offensichtliche zu bemerken. »Also gut«, sagte er knapp. Dann, geschäftsmäßig: »Von wo genau hat dieser Mann angerufen, Signore?«
    »Er sagte, er sei beim Petrochemie-Komplex in Marghera. Ich geben Ihnen seine Nummer, dann können Sie ihn selbst anrufen und fragen, wo genau er zu finden ist«, sagte Patta. Er nahm sein telefonino, das, von Brunetti bis dahin unbemerkt, neben dem Tischkalender lag, und klappte es mit lässigem Behagen auf. Natürlich besaß Patta das allerneueste superflache Modell. Das BlackBerry, das ihm vom Innenministerium zugeteilt worden war, benutzte der Vice-Questore nicht: Er wolle kein Sklave der Technik werden, behauptete er, doch Brunetti wurde den Verdacht nicht los, er wolle sich nur nicht von dem Ding das Jackett ausbeulen lassen.
    Patta drückte auf den Tasten herum und hielt ihm dann plötzlich und ohne ein Wort zu sagen das Handy hin. Guarinos Gesicht füllte den winzigen Bildschirm aus. Seine tiefliegenden Augen waren offen, blickten jedoch zur Seite, als sei es ihm peinlich, dass man ihn so daliegen sah, so gleichgültig gegen das Leben. Wie Patta gesagt hatte, war das Kinn beschädigt, obwohl »zerstört« wohl der treffendere Ausdruck war. Unverkennbar das schmale Gesicht und die ergrauenden Schläfen. Vollständig grau würde sein Haar nun nicht mehr werden, dachte Brunetti, und auch Signorina Elettra würde er nicht mehr anrufen können, falls er das beabsichtigt hatte.
    »Nun?«, fragte Patta, und fast hätte Brunetti ihn angeschrien, so überflüssig war die Frage, so leicht zu erkennen war der Tote.
    »Ich würde sagen, das ist er«, erklärte Brunetti zurückhaltend, klappte das Handy zu und gab es Patta zurück. In der jetzt eintretenden Pause hatte Brunetti Gelegenheit zu beobachten, wie Patta jeglichen Ausdruck aus seiner Miene tilgte, bis nur noch Leutseligkeit und das selbstlose Verlangen nach Zusammenarbeit übrig waren. Und als Patta zu sprechen anhob, hatte dieselbe Verwandlung sich auch mit seiner Stimme vollzogen. »Ich denke, es wird klüger sein, ihnen zu sagen, dass er hier war.«
    Wie ein olympischer Staffelläufer hatte Brunetti alles gegeben, an den vor ihm Rennenden heranzusprinten, um in vollem Lauf eine Hand nach vorn zu strecken und den Stab entgegenzunehmen, worauf der andere abbremsen und aus dem Rennen aussteigen konnte.
    Er fürchtete schon, Patta könnte die Rückruftaste drücken und ihm das Handy

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