Brunftzeit
alle infrage. Tatsächlich aber führt diese Uneingeschränktheit zu Problemen, weil ich nie ganz genau weiß, wonach ich suche. Natürlich sollte meine potenzielle Freundin die üblichen Qualitäten haben: schön sollte sie sein, witzig, freundlich und leidenschaftlich (was nur ein höflicher Euphemismus für eine positive Einstellung zu Sex ist, ganz gleich, wer es sagt), außerdem intelligent und zufrieden, sie sollte sich nicht zu ernst nehmen, ein gutes Essen genießen können und akzeptieren, dass mein Mangel an Ordnungssinn eine Schrulle und kein Grund zum Ärgernis ist.
Abgesehen davon wird es schon schwieriger. Haarfarbe? Ist mir gleich. Job? Mir egal. Alter? In einem vernünftigen Rahmen (das heißt, nicht so jung, dass es unmoralisch wird und nicht so alt, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann) bin ich für alles offen. Und was habe ich davon? Die freie Auswahl? Nein, eher eine große Verwirrung.
Die Gipfel der Anziehung
Einer meiner Freunde, er heißt Rob, ist knapp zwei Meter groß und steht auf hochgewachsene Damen. Eines Abends überkam ihn in einem Pub beim Anblick einer höchstens zwei Zentimeter kleineren Frau eine solche Lust, dass er folgende Worte an sie richtete: »Meine Güte, du bist ja vielleicht ne Wuchtbrumme!« – und das in einem Tonfall, in dem ein anderer Mann vielleicht gesagt hätte: »Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe.«
Es wird niemanden überraschen, dass die junge Dame den Spruch nicht als Kompliment auffasste, obwohl er so gemeint war, und dem armen Rob außer einer Ohrfeige nichts schenkte.
Mein Geschmack ist da anders. Obwohl ich mit 1,95 nur geringfügig kleiner bin als Rob, gefällt es mir, wenn Frauen etwas kleiner sind als ich – ich fühle mich dann eher wie ein Mann.
Ein Gefühl, das sich nicht einstellt, wenn man seinen Rücken strafft und einer Frau dann immer noch Auge in Auge gegenübersteht. Meine Vorliebe hat dazu geführt, dass keine Frau, mit der ich je ausgegangen bin, größer war als gerade einmal 1,60 Meter (was im Vergleich zu mir nun wirklich nicht groß ist) – möglicherweise hätte ich meine Durststrecke früher überwunden, wäre ich nicht so wild entschlossen gewesen, an meinen Prinzipien festzuhalten.
Knapp daneben
Ich befand mich gerade in einem Club, als eine hübsche Frau mittlerer Größe auf mich zukam (in meiner schon etwas alkoholvernebelten Wahrnehmung sah sie aus wie Holly Willoughby) und sprach: »Hi, ich heiße Annie.«
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, ich hätte denLotto-Jackpot geknackt – eine bildhübsche Frau hatte die Initiative ergriffen. Aber das dicke Ende folgte sofort. »Und das ist meine Freundin Jo«, fuhr sie fort, drehte sich um und gab den Blick auf eine zweite Frau frei, die hinter ihr geradezu aufragte und offenbar nur darauf gewartet hatte, mir vorgestellt zu werden.
Jo war, um es mit Robs Worten zu sagen, »eine Wuchtbrumme«. Sie war schlank und hübsch, aber eben wuchtig. Mit einem Gardemaß von mindestens eins achtundachtzig und hohen Absätzen (sie trug tatsächlich Absätze, ich habe extra nachgeschaut) befanden sich unsere Augen auf gleicher Höhe. Möglicherweise entsprach Jo allen anderen Anforderungen, die ich an eine Frau stelle (witzig, intelligent, freundlich und bereit, meine Unordnung liebenswert zu finden), aber das war mir gleich. Sie war einfach zu groß, und wenn ich mich klein fühle, fehlt mir der Wind in den Segeln.
Im Übrigen hatte sie diese bildhübsche Freundin, und auch wenn es sich gemein anhört, konzentrierte ich meine Bemühungen auf Annie.
Irgendwann zeigten sich tatsächlich erste kleine Erfolge. Ich unterhielt mich konsequent mit Annie, bis Jo schließlich mit jemand anderem plauderte. Annie war wirklich witzig und süß, und als sie von Jo geholt wurde, weil die Clique gehen wollte, bat ich sie um ihre Telefonnummer. Annie wartete, bis Jo außer Sichtweite war, und gab sie mir.
Ob ich mich unbehaglich fühlte, weil ich der großen Jo keine Chance gegeben hatte? Damals noch nicht. Aber nach dem Ende meines ersten und einzigen Dates mit Annie wusste ich, dass ich mit der falschen Frau geflirtet hatte.
BEMERKUNG:
Ich habe diese Geschichte in meiner Kolumne veröffentlicht. Die Resonanz war außergewöhnlich. Ich wurde auf das Heftigste beschimpft, weil ich die Sünde begangen hatte, der zu großen Jo keine Chance zu geben. Schwächling, Chauvi und sexistisches Mannsbild waren noch die harmlosesten Beleidigungen. Aber mal ganz ehrlich – was
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