Bruno Chef de police
sollen? Was hatte er zu verbergen gehabt? Erklärte dieses Geheimnis womöglich den Mord an ihm, fast sechzig Jahre nach seiner Anmusterung unter falschem Namen?
Bruno nahm sich vor, am Abend mit Isabelle darüber zu sprechen. Er freute sich auf die Verabredung mit ihr und lächelte bei dem Gedanken, dass ihnen beiden womöglich nicht der Sinn nach kriminologischen Themen oder überhaupt nach Gesprächen stehen würde. Er erinnerte sich daran, wie sie ihn in der Höhle geküsst hatte und ihm damit eine Millisekunde zuvorgekommen war, und dann an die lustvolle Art, mit der sie seine Hand auf ihre warme Brust gelegt hatte...
Das Telefon störte seine Träumereien.
»Bruno? Hier ist Christine. Ich rufe von Bordeaux aus an und bin gerade im
Centre Jean Moulin.
Sie sollten so schnell wie möglich kommen. Über Hamid al-Bakr ist zwar nichts zu finden, aber wir haben Ihren Villanova und diesen Hussein Boudiaf aufgespürt. Da steckt Zündstoff drin, Bruno.«
»Was soll das heißen?«
»Haben Sie schon einmal von der sogenannten
Force mobile
gehört?« »Nein.«
»Sie werden's nicht glauben, wenn Sie nicht kommen und sich die Unterlagen selbst ansehen. Villanova und Boudiaf waren Kriegsverbrecher.«
»Kriegsverbrecher? Was haben sie getan, und wo?«
»Das am Telefon zu erklären ist viel zu kompliziert. Ich schlage vor, Sie fahren zu Pamela und lassen sich von ihr in mein Zimmer führen. Auf dem Schreibtisch liegen zwei Bücher. Haben Sie etwas zu schreiben? Ich nenne Ihnen jetzt die Titel. Schlagen Sie in diesen Büchern das Stichwortverzeichnis auf, und schauen Sie unter
Force mobile
nach. Das erste Buch trägt den Titel
Histoire de la Résistance en Périgord,
geschrieben von Guy Penaud; das andere ist
1944
en Dordogne
von Jacques Lagrange. Ich rufe Pamela gleich an. Sie kann die Bücher ja schon für Sie bereithalten. Lesen Sie unbedingt die Textstellen, in denen von der
Force mobile
die Rede ist, und rufen Sie mich dann zurück. Verflucht, mein Akku ist leer. Ich lade jetzt mein Handy wieder auf und warte auf Ihren Anruf. Ich wohne im
Hôtel d'Angleterre.
An den Namen werden Sie sich doch erinnern können, oder? Glauben Sie mir, es wäre gut, wenn Sie herkämen.«
24
In Pamelas geräumigem Wohnzimmer, in das golden die Sonne fiel, und unter dem würdevollen Blick von Pamelas Großmutter, deren Porträt an der Wand hing, wurde Bruno in Gedanken um sechzig Jahre zurückversetzt, als das Tal der Vézère von den Schrecken des Krieges und der Besatzung heimgesucht wurde. Brandgeruch und der Gestank von Sprengstoff schienen von den aufgeschlagenen Seiten von Christines Büchern aufzusteigen und brachten Bruno ein tragisches und zum Teil unrühmliches Kapitel der französischen Geschichte, das sich lange vor seiner Geburt zugetragen hatte, bedrückend nahe.
Die
Force mobile,
las er, war eine Spezialeinheit der
Milice,
jener gefürchteten Polizei des Vichy-Regimes, das Frankreich nach 1940 regierte. Auf Befehl der deutschen Besatzungsmacht und von französischen Mitgliedern der Vichy-Regierung dazu aufgefordert, organisierte die
Milice
die Deportation von Juden in Vernichtungslager und rekrutierte junge Franzosen zur Zwangsarbeit in deutschen Rüstungsbetrieben. Als Deutschland nach 1942 immer mehr militärische Niederlagen erlitt, wuchs der französische Widerstand, und Zehntausende flohen vor dem
Service de Travail obligatoire,
kurz: sto, und traten der Résistance bei. Versteckt in Wäldern und Bergen, nannten sie sich
Maquis -
nach dem französischen Wort für das undurchdringliche Buschwerk auf den Hügeln Korsikas.
Den Widerstandskämpfern im Untergrund kamen bewaffnete Truppen, Funker und Sanitäter, Spitzel und britische Militärberater mit Fallschirmen aus der Luft zu Hilfe, geschickt sowohl aus dem freien Frankreich, das von General Charles de Gaulle angeführt wurde, als auch von der britischen
Special Operations Executive
und dem britischen Geheimdienst mi6. Mit Hilfe der
Maquis
sollten die Besatzungsstreitkräfte der Deutschen geschwächt oder, wie es Winston Churchill in seinem Befehl an das soe formulierte, »Europa in Brand« gesteckt werden. Als aber die Invasion näher rückte, war den Briten vor allem daran gelegen, den militärischen Funkverkehr in Frankreich zu stören und die deutschen Truppen zurückzudrängen, die sich an den Küsten auf eine Landung der Alliierten vorbereiteten. Dabei wurde in Kauf genommen, dass der Feind seinen Druck auf die
Maquis
im Hinterland verschärfte. Die
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