Bruno Chef de police
Gaullisten versuchten, die
Maquis
zu bewaffnen und die Résistance zu einer Streitmacht aufzurüsten, denn es sollte später ihr Verdienst sein, Frankreich befreit und seine Ehre nach der Demütigung durch Niederlage und Okkupation wiederhergestellt zu haben. Darüber hinaus aber wollten die Gaullisten aus der Résistance eine politische Bewegung machen mit dem Ziel, nach dem Krieg die Macht zu übernehmen und zu verhindern, dass ihr Rivale, die Kommunistische Partei, die Oberhand gewann. Die Auseinandersetzungen zwischen Gaullisten und Kommunisten eskalierten, und der Streit, der vor allem über die Einsätze der Fallschirmspringer entbrannte, wurde nicht selten mit Waffengewalt ausgetragen.
Die
Milice
und ihre deutschen Befehlshaber ersannen eine neue Strategie zur Zerschlagung der Résistance in den Schlüsselgebieten. Deutsche Spezialtruppen, die an der russischen Front und in Jugoslawien Erfahrung im Kampf gegen Partisanen gesammelt hatten, wurden nach Frankreich verlegt. Im Wesentlichen aber zielte die neue Strategie darauf ab, die Résistance auszuhungern, indem man die Landbevölkerung, die die
Maquis
mit Lebensmitteln versorgte, terrorisierte. Bauernfamilien, deren Söhne untergetaucht waren, wurden überfallen und geschlagen, Frauen vergewaltigt, wer sich auflehnte, getötet, Vorräte und Vieh beschlagnahmt und Scheunen niedergebrannt. Ausführende dieser Terrorakte war die
Force mobile,
die im Périgord in der Stadt Périgueux ihren Hauptstützpunkt hatte.
Bruno saß in Pamelas großem friedlichem Wohnzimmer vor Christines Büchern, las und war entsetzt. Zwar wusste er von den Schrecken der Besatzungszeit, von den Opfern der Résistance und den Verbrechen des Vichy-Regimes, das einen Bürgerkrieg von Franzosen gegen Franzosen entfachte. Er hatte auch von Greueltaten gehört wie dem Massaker in Oradour-sur-Glane, jener Ortschaft weiter nördlich im Limousin, wo man zur Vergeltung für den Mord an einem deutschen Offizier Hunderte von Frauen und Kindern in eine Kirche eingesperrt, diese in Brand gesetzt und mit Maschinengewehrsalven alle niedergemäht hatte, die den Flammen hatten entfliehen wollen. Bruno kannte auch die vielen kleinen Denkmäler in der Region, jungen Franzosen gewidmet, die bei dem Versuch, eine Brücke zu verteidigen oder den Vormarsch deutscher Truppen zu behindern, getötet worden waren, schlichte Gedenksteine mit den Namen der
pour la patrie
Gefallenen. Von der
Force mobile
und ihren brutalen Willkürakten, gerade auch hier in der Region, die er so gut zu kennen glaubte, hatte Bruno noch nie etwas gehört.
Die im Périgord stationierte
Force mobile
war von einem ehemaligen Profifußballer aus Marseille namens Villanova angeführt worden. Gütiger Himmel, dachte Bruno, als er diesen Namen las. Villanova hatte dem Terror gegen die Landbevölkerung eine neue Variante hinzugefügt. Er war davon überzeugt, dass die Landbevölkerung besonders eingeschüchtert werden würde, wenn die Vergeltungsaktionen, Brandanschläge und Vergewaltigungen von speziell dafür angeworbenen Nordafrikanern verübt wurden. Zur Belohnung durften sie über die Beute, die sie machten, wie auch über die Frauen, die sie gefangen nahmen, frei verfügen. Villanova fand seine Rekruten in den Einwandererslums von Marseille und Toulon, wo Arbeitslosigkeit, Armut und Verzweiflung grassierten und viele seiner ehemaligen Schützlinge lebten, die von ihm trainiert worden waren.
Es schauderte Bruno, als ihm schwante, wohin diese Spur führte. Er würde dem Verdacht nachgehen müssen, dass Hamid al-Bakr, der ermordete Kriegsheld, als Hussein Boudiaf womöglich an den Verbrechen gegen französische Zivilisten beteiligt gewesen war. Christine hatte recht. Er musste so schnell wie möglich nach Bordeaux fahren und Informationen über die
Force mobile,
Villanova, Boudiaf und die anderen Mitglieder einholen. Die Sache schien in der Tat jede Menge Zündstoff zu bergen. Umso wichtiger war es, wasserdichte Beweise zu sichern. Außerdem würde er die Namen der Terroropfer feststellen und noch lebende Angehörige ausfindig machen müssen, die ein Motiv hatten, Rache an Villanovas nordafrikanischen Truppen zu üben, denen möglicherweise auch Hamid angehört hatte.
Und Momu? Was würde es für Momu, Karim und Rashida bedeuten, wenn sie erführen, dass ihr geliebter Vater und Großvater ein Kriegsverbrecher gewesen war, ein Terrorist im Auftrag der Marionetten von Vichy und Befehlsempfänger der Nazis? Wie schockierend würde es für
Weitere Kostenlose Bücher