Bruno Chef de police
mal gerade damit schreiben und E-Mails verschicken.«
Sie riet ihm, zum Fenster hinauszuschauen, um die Augen ausruhen zu lassen, stand auf und besorgte Kaffee von der Kochplatte am anderen Ende des Raums. »Hier.« Sie reichte ihm einen Plastikbecher, kramte einhändig, während sie mit dem eigenen Becher jonglierte, nach ihrer Zigarettenpackung und steckte sich eine Royale an.
»Scheußlich, diese Plörre«, sagte Bruno. »Wie wär's, wenn wir nach nebenan ins Café gingen?«
»Das gäbe wahrscheinlich Ärger. Jean-Jacques ist ein regelrechter Sklaventreiber«, sagte sie und lächelte. »Als ich bei ihm anfing, habe ich nicht einmal gewagt, aufs Klo zu gehen. Wahrscheinlich wird sich das im Alter rächen.«
»Wir sind hier in Saint-Denis. Bei uns werden die Mittagspausen eingehalten. Das ist Gesetz.« Bruno fragte sich plötzlich, ob sie sich womöglich von ihm eingeladen fühlte, und fürchtete, nicht genügend Geld dabeizuhaben.
»Wir sollten trotzdem lieber weitermachen. Die Zeit drängt«, sagte Isabelle und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. »Schauen wir uns jetzt die Aufnahmen an, die bei einer Wahlveranstaltung in Bergerac gemacht wurden«, schlug sie vor und klickte sich geschickt von einem Fenster zum nächsten. Brunos Computererfahrung beschränkte sich auf den großen Computer in der
mairie,
der zur Verwaltung der Gemeindesteuern und Sozialversicherung benutzt wurde, sowie auf den kleineren, den er sich mit der Sekretärin des Bürgermeisters teilte. Bei der dritten Aufnahme schnappte er unwillkürlich nach Luft.
»Jemanden entdeckt? Ich kann die Gesichter auch vergrößern, wenn Sie wollen«, sagte sie.
»Die jungen Leute dort. Gibt's von denen noch andere Aufnahmen?«
Isabelle rief die nächsten Fotos auf, bis er schließlich auf einem zwei Teenager wiedererkannte: ein hübsches blondes Mädchen aus Lalinde, das im vergangenen Sommer das Halbfinale im Tennisturnier von Saint-Denis erreicht hatte, und einen jungen Mann, der weniger an dem Redner auf der Bühne als an dem Mädchen interessiert zu sein schien. Er war der einzige Sohn eines Arztes von Saint-Denis und hieß Richard Gelletreau.
»Vielleicht hilft uns das weiter.« Isabelle druckte die Fotos aus und schrieb Richards Namen darauf. »Das Parteibüro in Bergerac liegt neben einer Bank, deren Eingang mit einer Kamera überwacht wird. Fragen Sie mich bitte nicht, wie, aber die
renseignements généraux
sind an die Bänder rangekommen und haben von allen, die während der Veranstaltung durchs Bild gelaufen sind, Vergrößerungen gemacht.«
»Ist das legal?«, fragte Bruno.
Sie zuckte mit den Achseln. »Wer weiß? Vor Gericht sind die Fotos wohl nicht zu verwenden, aber für Ermittlungen ... Na, jedenfalls haben wir sie. Wenn Sie glauben, das wäre was Besonderes, sollten Sie mal sehen, was die
renseignements généraux
über Kommunisten und Linke gebunkert haben. Das Material reicht bis in Vorkriegszeiten zurück.«
Die
renseignements généraux,
der dem Innenministerium unterstellte Nachrichtendienst der französischen Polizei, sammelte seit 1907 Informationen über Personen und Vorgänge, die eine mögliche Gefahr für das Land darstellten. Er arbeitete sehr effektiv, stand allerdings in keinem besonders guten Ruf. Bruno wusste über diese Behörde so gut wie nichts, war aber beeindruckt von dem, was er nun sah. Auf einem der Fotos, die von der Überwachungskamera aufgenommen worden waren, konnte er den jungen Richard, der mit dem Mädchen an der Hand das Büro des
Front National
aufsuchte, eindeutig wiedererkennen. Ein zweites Foto zeigte ihn, wie er, seinen Arm schützend um das Mädchen gelegt, das Büro verließ.
Bruno schaute sich noch die anderen Aufnahmen an, doch außer dem jungen Richard gab es keinen weiteren Hinweis auf eine Verbindung zu Saint-Denis.
»Was können Sie mir über diesen Burschen sagen?« Isabelle nahm den Notizblock vom Schreibtisch und drehte sich auf ihrem Sessel zu ihm herum.
»Seinen Namen habe ich Ihnen schon genannt. Er ist der Sohn des Chefarztes unserer Klinik. Die Familie wohnt in einer der Villen am Hügel. Sein Vater, eine der tragenden Säulen unserer Gemeinde, lebt schon seit seiner Kindheit in Saint-Denis. Seine Frau ist Apothekerin und inzwischen Teilhaberin der großen Apotheke am Supermarkt. Das junge Mädchen auf dem Foto stammt aus Lalinde. Sie hat im vergangenen Jahr an unserem Tennisturnier teilgenommen. Ich kann im Club nachfragen, wie sie heißt. Der Junge ist hier bei uns zur
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