Bruno Chef de police
»Richard Gelletreau?«
Keine Antwort. Die Mädchen im Pool hatten die Arme über den Brüsten verschränkt. Die Jungs schauten sich nervös um, als weitere Polizisten um die Hausecke eilten.
Bruno musterte ihre Gesichter. Sie kamen ihm bekannt vor, vielleicht von den Fotos, die Isabelle ihm vorgelegt hatte. Sein Blick kehrte immer wieder zu den halbnackten Mädchen zurück. Er dachte an seine eigenen Teenagerjahre, die ganz und gar anders verlaufen waren, und fragte sich, welcher seltsamen politischen Gruppierung er wohl beigetreten wäre, wenn er in ähnlichen Kreisen verkehrt hätte.
»Jean-Jacques«, rief Isabelle. »Hier oben.«
Der Chefinspektor wandte sich der Treppe zu und gab Bruno ein Zeichen, ihm zu folgen. Sie eilten auf breiten Stufen nach oben und erreichten einen Treppenabsatz, der so groß war wie ein durchschnittliches Wohnzimmer. Vor ihnen lag ein Korridor mit einer Reihe geschlossener Türen. Sie folgten Isabelles Stimme in einen angrenzenden Flügel, dessen Fenster auf den Garten hinausgingen, und betraten einen großen Raum, der hell und luftig hätte sein können, wären die Vorhänge nicht zugezogen gewesen. Bis auf den flackernden Schein eines eingeschalteten Fernsehers und das schwache Licht von draußen war es dunkel. In einem zerwühlten Bett lag ein verschlafenes junges Paar. Das Mädchen hatte sich aufgerichtet und hielt das Laken vor der Brust gerafft, obwohl sie einen schwarzen bh trug. Auf dem Kissen lag ein schwarzer Spitzhut. Der Junge konnte sich nicht bewegen. Seine Hände und Füße waren mit Schals an die Bettpfosten gefesselt.
Bruno betrachtete die Poster an den Wänden. Auf zweien war Jean-Marie le Pen abgebildet, der Vorsitzende des
Front National;
eines sah aus wie ein Kinoplakat für den Film »Schlacht um Algier«. Bajonette, Dolche und ein Helm der deutschen Wehrmacht waren an der Wand über dem Bett zu einem Ensemble arrangiert. Bruno schaute genauer hin, als Isabelle das Licht eingeschaltet hatte, und erkannte auf den Dolchgriffen eingravierte Hakenkreuze. Der junge Mann auf dem Bett drehte den Kopf von der Deckenbeleuchtung weg und stöhnte. Es war Richard. Er sah um sich, erkannte Bruno und stöhnte erneut. Auf seiner nackten Brust war mit dunkelrotem Lippenstift ein Hakenkreuz gemalt. Bruno schüttelte den Kopf in Erinnerung an den toten Araber, der auf so demütigende Weise zugerichtet worden war.
»Wer zum Teufel sind Sie?«, zischte das Mädchen. »Raus hier!«
»Schauen Sie mal, was da im Fernseher läuft, Jean-Jacques«, sagte Isabelle. »Ein Naziporno.«
Die Bezeichnung passte. Zwei Männer in schwarzen Uniformen mit Hakenkreuzarmbinden und SS-Emblemen am Revers waren mit zwei jungen Frauen zugange, die eine weiß, blond und scheinbar willig, die andere schwarz und in Handschellen.
Jean-Jacques war blitzschnell zur Stelle, als das Mädchen aus dem Bett zu springen versuchte. Er packte sie bei den Haaren und drehte sie auf den Rücken. Sie schrie auf. Er hielt sie fest und warf einen Blick auf den Nachttisch und sah, worauf sie es abgesehen hatte: eine Rasierklinge neben einem kleinen Spiegel, auf dem immer noch Spuren eines weißen Pulvers zu erkennen waren.
»Das gehört sich aber nicht«, sagte Jean-Jacques zu dem schreienden und sich unter seinem Griff windenden Mädchen. »Kokain. Schätze, da kommen drei Jahre zusammen.« Er zog einen Kugelschreiber aus der Tasche, hob damit den Deckel einer kleinen Dose an, die neben dem Spiegel stand, und schüttelte den Kopf angesichts der weißen Pillen, die darin zum Vorschein kamen. Das Mädchen hatte zu schreien aufgehört. Das Laken war von ihr abgefallen. Sie trug schwarze Strümpfe und einen schwarzen Strumpfhalter über der rasierten Scham.
»Also auch noch Ecstasy«, sagte Jean-Jacques leise. Er wirkte tatsächlich schockiert, fand Bruno. »Ich glaube, wir haben hier genug für eine Anklage wegen Drogenhandels. Darauf steht bis zu zehn Jahren, Mademoiselle. Ich hoffe, Ihnen gefällt die Gesellschaft knallharter älterer Lesben. Denn mit denen werden Sie viel Zeit verbringen müssen.«
Mit Blick auf Isabelle sagte er: »Legen Sie der jungen Dame Handschellen an. Dann sollten wir ein paar Fotos machen und alles aufnehmen: die Drogen, das Bett, den jungen Mann, den Porno und die Nazisymbole. Außerdem will ich, dass die Kollegen von der Spurensicherung kommen und jedes Messer hier im Haus unter die Lupe nehmen. Da unsere Leute noch in Saint-Denis zu tun haben, werden wir die Kollegen von Bergerac zu
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