Bruno Chef de police
hieß Jacqueline Courtemine. Er rief seinen Kollegen in Lalinde an, einen noch jungen Exsoldaten namens Quatremer, den er nur flüchtig kannte, und fragte nach der Familie des Mädchens und ihrer Adresse. Im Gegenzug erklärte Bruno, dass er nach einem jungen Mann suche, der womöglich in ihrer Begleitung sei, und bat darum, das Haus der Familie Courtemine im Auge zu behalten, bis
die police nationale
in Mannschaftsstärke eintreffen würde.
Danach telefonierte er mit Quatremers Vorgänger René, einem alten Jagdfreund, der sich vor einem Jahr hatte pensionieren lassen. Er stellte ihm die gleichen Fragen und wurde mit Informationen geradezu überschüttet. Jacquelines Eltern waren getrennt, wahrscheinlich geschieden. Die Mutter lebte in Paris vom Geld ihres Mannes, der einen Möbelhandel geerbt und zu einer erfolgreichen Kette mit etlichen Filialen ausgebaut hatte. Als vielbeschäftigter Mann mit mehreren Geliebten war er selten zu Hause. Jacqueline hatte ihr eigenes Auto und das große Haus am Stadtrand fast für sich allein. Im Herbst werde sie wohl zur Universität gehen, sagte René und fügte hinzu: »Ein ziemliches Luder, wie man so hört.« Bruno machte sich Notizen, ließ sich den Weg zum Haus beschreiben und bereitete seinen alten Freund darauf vor, dass Quatremer womöglich Unterstützung nötig haben würde, zumindest guten Rat.
»Und gib deinem Bürgermeister Bescheid«, riet Bruno, ehe er auflegte. Isabelle hatte inzwischen Jean-Jacques informiert und wartete im Wagen. Sie fuhren auf die Schnellstraße in Richtung Bergerac und hielten vor dem Verkehrsamt kurz an, um auf Jean-Jacques zu warten. Isabelle angelte sich das Blaulicht von der Rückbank. Als sie es auf dem Dach festmachte, kreuzte Jean-Jacques' großer schwarzer Citroën mit blinkenden Lichtern auf, gefolgt von einem Streifenwagen. Mit hohem Tempo nahm der kleine Konvoi Kurs auf Lalinde.
9
Der Polizeikonvoi fuhr auf ein großes, allein stehendes Haus zu, das auf einer Anhöhe über Lalinde thronte, mit weitem Blick über die Dordogne, die sich hier breit und flach vom Hochplateau in die Ebene ergoss, wo seit einem Jahrhundert Tabak für die dunklen
Gauloises-Zigaretten
angebaut wurde. Das steile Ziegeldach, die hohen Kamine und spitzen Türmchen entsprachen dem traditionellen Stil des Périgord, doch die hell schimmernden Mauersteine verrieten, dass das Haus erst vor kurzem gebaut worden war. Auf dem kiesbestreuten Vorhof parkten vier Autos, ein Motorrad und zwei kleine Mofas, von den Franzosen
mobileres
genannt. Der große Garten hinter dem Haus reichte bis an den sanft ansteigenden Hang des Hügels heran, der sich bis nach Bergerac erstreckte. Aus den geöffneten Fenstern dröhnte Rockmusik, und vor dem Eingang lag umgekippt eine leere Weinflasche.
»Sehr einladend«, sagte Jean-Jacques. »Die Tür sperrangelweit auf und Wolken von Marihuana. Wenn's sein muss, können wir sie wegen Drogenbesitzes drankriegen.« Er schickte die Kollegen aus dem Streifenwagen hinters Haus, klopfte mit den Fingerknöcheln an die offen stehende Tür, wartete kurz und trat dann ein.
Teenager mit ausdruckslosen Gesichtern saßen um den Tisch im Esszimmer, dessen Fenster auf einen Innenhof mit Swimmingpool hinausgingen. Vor der Wand war eine große Bar, und auf dem Esstisch standen jede Menge Bierdosen und Weinflaschen zwischen schmutzigem Geschirr, Käsetellern und einer Schale Obst. Hinter dem Fenster sah Bruno drei junge tätowierte Männer mit kahlrasierten Köpfen und zwei barbusige Mädchen im Pool herumalbern. Jean-Jacques ging auf die Stereoanlage zu und stellte sie ab. Die Musik verstummte gnädigerweise. Von Richard Gelletreau keine Spur, weder am Tisch noch am Pool.
«Mademoiselle Courtemine?«, fragte Jean-Jacques. Schweigen. Er wiederholte ihren Namen. »Sind Mademoiselle Courtemine oder der Hausbesitzer anwesend? Wir sind von der Polizei.«
Eines der Mädchen am Tisch führte die Hand vor den Mund und starrte auf das breite Treppenhaus. Jean-Jacques bat Isabelle mit einer Kopfbewegung, im Obergeschoss nachzuschauen.
»Beschlagnahmen«, forderte Jean-Jacques einen seiner Männer auf und deutete auf einen mit Gras gefüllten Beutel und Zigarettenpapier auf dem Tisch. »Und Ausweiskontrolle bei allen. Wenn der Kollege von Lalinde schon da ist, soll er reinkommen. Er wird die meisten kennen. Wie war noch gleich sein Name, Bruno?«
»Quatremer.«
»Gut. Versuchen wir's noch einmal«, sagte Jean-Jacques mit Blick auf die Runde am Tisch.
Weitere Kostenlose Bücher