Bruno Chef de police
für ihn ungewöhnlich offiziellen Tonfall an.
»Ich werde jetzt die Eltern des Jungen anrufen und ihnen mitteilen, dass ihr Sohn gegen seinen Willen festgehalten wird, weil er sich aufgrund einer Kartoffel, die in seinem Besitz ist, verdächtig gemacht hat.« Er legte eine Pause ein, um die Absurdität des Gesagten nachwirken zu lassen. »Darüber hinaus bin ich als Polizist verpflichtet, die Eltern auf ihr Recht aufmerksam zu machen, offiziell Beschwerd einzulegen, falls ihr minderjähriger Sohn rechtswidrigerweise festgenommen werden sollte. Ich würde Ihnen, meine Herren, also dringend empfehlen, dass Sie sich mit Ihren Vorgesetzten in Verbindung setzen und zwei Fragen klären: Erstens: Wer von Ihnen trägt in solchen Angelegenheiten die Verantwortung? Und zweitens: Ist Ihre Dienststelle bereit, die anfallenden Rechtskosten zu tragen? Und die könnten sich auf eine hübsche Summe belaufen, wenn die Gendarmerie, zu einer rechtswidrigen Festnahme genötigt, ihrerseits Haffungsansprüche geltend machen würde. Aber was sage ich? Sie werden
Capitaine
Duroc und seine Männer doch gewiss nicht in Verlegenheit bringen wollen, oder?«
In der Menge der Umstehenden klatschte jemand Beifall.
Mit gewichtiger Miene zog Bruno den Notizblock aus der Brusttasche, auf den er am Morgen seine Einkaufsliste geschrieben hatte. »Leider komme ich wohl nicht umhin, eine Aktennotiz anzulegen. Wenn Sie mir bitte Ihre Dienstausweise zeigen würden, meine Herren...« Und an Duroc gewandt: »Wir brauchten eine Kamera, um ein paar Aufnahmen vom Arm und der Schulter des Jungen zu machen, an denen er gepackt worden ist. Eine reine Formalität, versteht sich. Nicht dass man Ihnen am Ende noch Körperverletzung zum Vorwurf macht, nur weil Sie offenbar unstatthaften Befehlen Folge leisten mussten.«
Duroc zögerte eine Weile, ließ dann aber den Arm des Jungen los. Der brach daraufhin in Tränen aus, eilte auf Bruno zu und drückte sein Gesicht an dessen frisch gewaschenes Hemd.
»Tja, vielleicht waren wir ein bisschen voreilig«, murmelte einer der beiden grauen Männer. »Aber dass unser Wagen beschädigt wurde, ist nun wahrhaftig keine Bagatelle.«
»Da haben Sie recht, Monsieur, und deshalb sollten wir uns genau an die Vorschriften halten«, erwiderte Bruno. »Wir gehen jetzt zur Gendarmerie, wo Sie Ihre Beschwerde zu Protokoll geben. Ich lasse die Eltern des Jungen kommen, wenn nötig auch deren Rechtsbeistand. Weitere Zeugen brauchen wir nicht, da der Bürgermeister und ich die gewaltsame Festnahme des Jungen vom Fenster des Bürgermeisteramtes aus mit angesehen haben.«
»Mein Polizeichef hat vollkommen recht«, rief der Bürgermeister, der hinter Bruno aufgetaucht war. »Wir haben alles gesehen, und ich muss sagen, dass ich einigermaßen entsetzt darüber bin, wie hier mit einem Jugendlichen unserer Gemeinde umgesprungen wird. Als Bürgermeister von Saint-Denis und Senator der Republik behalte ich mir vor, Ihre Vorgesetzten davon in Kenntnis zu setzen.«
»Aber wenn wir die Sache nicht zur Anzeige bringen, kommen wir für den Schaden am Auto auf«, platzte es aus einem der beiden Inspektoren heraus.
»Halt's Maul, du Esel«, zischte sein Kollege, der merklich zusammengezuckt war, als sich der Bürgermeister auch noch als Senator vorgestellt hatte.
»Monsieur le maire, Monsieur le chef de police, mon capitaine«,
sagte er. »Respekt und vielen Dank, dass Sie dieses kleine Missverständnis beigelegt haben. Ich glaube, die Angelegenheit wäre damit erledigt. Wir werden jetzt weiterfahren und andernorts unseren Dienst versehen.«
Er verbeugte sich knapp, nahm seinen Kollegen beim Ellbogen und zog sich eilends, aber erhobenen Hauptes zurück.
»Verdammte Gestapo«, fluchte der Bürgermeister. Duroc schien seinen Ohren nicht zu trauen und sperrte die Augen auf.
Bruno zerzauste dem Jungen die Haare. »Woher kennst du den Trick mit der Kartoffel?«, fragte er.
»Von meinem Uropa. So hat er in der Résistance die deutschen Lastwagen aufgehalten.«
12
Bruno hatte seinen Garten so angelegt, als habe er vor, ein Leben lang hierzubleiben. Als ihm der Bürgermeister den kleinen Hof mit dem kaputten Dach, den schattenspendenden Bäumen weiter oben am Hang und dem atemberaubenden Blick nach Süden zum ersten Mal gezeigt hatte, war Bruno sofort klar gewesen, dass er sich hier dauerhaft wohl fühlen würde. Der ehemalige Eigentümer, ein alter Schäfer, war schon vor Jahren gestorben, und weil seine Erben, die in Paris lebten, keine
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