Bruno Chef de police
jüngere Tochter haben könnte.
»Irgendwelche Neuigkeiten?«, sagte Bruno.
»Nein, der verflixte Bengel muss sich wegen Drogenbesitzes verantworten. Unser Anwalt meint allerdings, dass es wahrscheinlich nicht zur Anklage kommen wird, weil dem Jungen... na ja, gewissermaßen die Hände gebunden waren, als die Polizei eintraf«, erklärte er merklich verlegen dem
chef de police,
der sich bei dieser Formulierung ein Lachen verbeißen musste. Bruno widerstand auch der Versuchung, zu schmunzeln. »Aber die interessiert vor allem dieser Mord.«
»Darüber darf ich mit Ihnen nicht reden, Doktor«, sagte Bruno, dem Gigi um die Beine strich. Automatisch kraulte er den Hund hinter den Ohren.
»Ja, ja. Verstehe. Ich wollte Ihnen eigentlich auch nur sagen, dass ich Richard wirklich für unschuldig halte. Es ist nicht bloß so, dass ich als Vater so denken muss. Ich bin voll und ganz davon überzeugt. Mein Junge ist nicht gewalttätig, das wissen Sie selbst, Bruno. Sie kennen ihn lange genug.«
Bruno nickte. Er kannte Richard von Kindesbeinen an, hatte ihm gezeigt, wie man einen Tennisschläger hält, und ihm später beigebracht, mit Topspin aufzuschlagen. Richard spielte gut, aber eher vorsichtig und nie aggressiv. Bruno hielt ihn für einen gutmütigen Jungen, dem eine Mordtat im Grunde nicht zuzutrauen war. Aber wer kannte sich schon aus mit Menschen, zumal dann, wenn sie unter Drogeneinfluss standen, leidenschaftlich verliebt oder politisch manipuliert waren?
»Haben Sie Richard gesehen?«, fragte Bruno.
»Ja, wir haben zehn Minuten mit ihm sprechen können - im Beisein unseres Anwalts, den uns der Bürgermeister empfohlen hat, einen cleveren jungen Burschen aus Périgueux. Dumesnier heißt er. Offenbar waren sie nicht einmal dazu verpflichtet, uns zu Richard zu lassen, aber der Anwalt hat es hingebogen. Und wir durften ihm dann auch ein paar Sachen zum Anziehen geben, nachdem man jeden einzelnen Saum abgeklopft hatte«, antwortete er. »Er schämt sich, hat Angst und ist verwirrt. Das können Sie sich bestimmt vorstellen. Aber er beteuert, mit dem Mord nichts zu tun zu haben, und fragt ständig nach dieser verfluchten Jacqueline. Sie hat ihm völlig den Kopf verdreht.«
»Seine erste Freundin?«, fragte Bruno verständnisvoll.
»Die Erste, mit der er geschlafen hat. Ein hübsches Ding, aber für ihn das reinste Gift. Er wird diese Woche siebzehn. Sie erinnern sich bestimmt, wie wir in diesem Alter waren, als die Hormone verrückt spielten. Er denkt an nichts anderes mehr als an sie und ist bis über beide Ohren in diese kleine Hexe verliebt.«
»Verstehe«, sagte Bruno.
»Könnten Sie nicht mal mit Ihren Kollegen in Périgueux reden?«, fragte Gelletreau. »Ihnen erklären, wie es um den Jungen steht? Ich weiß, dass Sie mit den Ermittlungen nichts zu tun haben, aber man wird auf Sie hören, Bruno.«
»Nehmen Sie Platz, Doktor, ich hole uns was zu trinken. Es ist so heiß, dass ich jetzt selbst ein Bier vertragen könnte.« Bruno führte Gelletreau zu einem der grünen Plastikstühle auf seiner Terrasse und ging ins Haus, um zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank und zwei Gläser zu holen. Als er zurückkam, sah er zu seiner Überraschung, wie der Doktor an einer gelben
Gitane
zog.
»Auf Ihren Rat hin habe ich mir das Rauchen abgewöhnt«, sagte Bruno und schenkte ein.
»Ich weiß, ich weiß. Ich habe ja auch seit Jahren nicht mehr geraucht. Aber Sie wissen vielleicht, wie das ist.«
Schweigend prosteten sie einander zu und tranken.
»Sie haben es sich hier sehr schön gemacht, Bruno.«
»Danke, das haben Sie mir auch schon beim letztjährigen Grillfest gesagt. Aber bleiben wir beim Thema. Sie haben mich doch etwas gefragt.« Bruno setzte sein Glas ab, beugte sich vor und stemmte seine Ellbogen auf den grünen Tisch.
»Wie schon erwähnt, habe ich mit den Ermittlungen nichts zu tun«, begann er. »Dafür ist die
police nationale
zuständig. Aber sie holt meinen Rat ein, wenn es um Fragen geht, die unsere Gemeinde betreffen. Ich kenne weder den Obduktionsbericht noch die Ergebnisse der Hausdurchsuchung. Gut möglich, dass man mich auch gar nicht Einblick nehmen lässt. Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass der leitende Ermittler ein gewissenhafter Mann ist, der sehr gründlich recherchieren wird. In so einem Fall will er sich erst ganz sicher sein, ehe er die Staatsanwaltschaft einschaltet. Es würde mich allerdings nicht wundern, wenn irgendein ambitionierter Jungstar aus Paris käme, denn der Fall ist
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