Bruno Chef de police
Hände und kraulte ihn an den weichen Stellen hinter den Ohren, beugte sich so tief hinab, dass ihre beide Stirnen sich berührten, und ließ ein liebevolles Brummen aus der Kehle aufsteigen, das Gigi ein Echo entlockte. Es müsste ein Wort geben für diesen tiefen, von Herzen kommenden Laut, den Hunde von sich gaben. Wäre Gigi eine Katze, hätte Bruno ihn als Schnurren bezeichnet, doch Hunde schnurrten nicht. Es war auch kein Knurren, das ja der Wortbedeutung nach bedrohlich wirkte. Gigi schüttelte seinen Kopf frei, richtete sich auf und legte seine Pfoten auf die Schultern seines Herrchens, um mit seiner Zunge dessen Ohr erreichen zu können. Bruno genoss den liebevollen Kontakt, drückte seinen Hund an sich und tätschelte ihm die Schulter. »Zeit zum Schlafen, für uns beide«, sagte er und stand auf.
Er führte Gigi nach draußen in seinen Zwinger, warf einen prüfenden Blick auf den Zaun des Hühnerstalls und hörte eine Eule aus dem Wald rufen, als er sich vergewisserte, dass der Tisch fertig abgeräumt war, und Wasser auf die Feuerstelle schüttete. Ihm gingen Gedanken durch den Kopf, die er lieber verdrängt hätte, was ihm aber nicht gelingen wollte. Ja, er bedauerte jetzt, dass er Isabelle hatte gehen lassen.
War's das schon?, fragte er sich, während er erneut zu den funkelnden Sternen aufsah und die blinkenden Lichter eines Flugzeugs ausmachte. Hatte er ihren Entschluss, ins Hotel zurückzukehren, einfach nur hingenommen oder ihr womöglich den Eindruck vermittelt, dass ihre Gesellschaft nicht erwünscht war? Wäre er weniger schüchtern gewesen, dann hätte er sie unter diesem Sternenhimmel in die Arme genommen und sich beherzt in das Abenteuer einer neuen Affäre mit einer attraktiven, intelligenten, ehrgeizigen, modernen jungen Frau gestürzt.
Lass mal gut sein, Bruno, sagte er sich beim Zähneputzen. Du musst dich nicht kleiner machen, als du bist, du hast was erreicht und mit eigenen Händen den Hof bewohnbar gemacht; du sorgst als Gärtner für dich und deine Freunde, du führst ein beschauliches Leben im Rhythmus der Jahreszeiten und im Einklang mit den guten alten Sitten des ländlichen Frankreich. Du bist ein pflichtbewusster Mann, der für sich und seine Gemeinde Verantwortung übernimmt. Du hast fremde Länder gesehen und Liebe erfahren und die Schrecken des Krieges, was für einen einzelnen Menschen mehr als genug an Abenteuer ist.
Er erinnerte sich plötzlich wieder an den von Granaten beschossenen Panzerwagen auf dem Flughafen von Sarajevo, an die zerfetzten Leichen derer, mit denen zusammen er ausgebildet worden war, gegessen und gekämpft hatte. Gott sei Dank, dass es mit diesen Abenteuern nun vorbei war.
Er nahm das Foto zur Hand, das ihn in jüngeren Jahren mit Katarina zeigte, aufgenommen an einem jener herrlichen bosnischen Sommertage, kurz nachdem sie sich ineinander verliebt hatten und bevor der Winter einbrach, der den serbischen Streifen Deckung bot und auch dem Heckenschützen, der ihn anschoss.
Bruno war damals voller Elan, leidenschaftlich und kämpferisch gewesen, wünschte sich diese Zeit aber weiß Gott nicht zurück. Er legte die Fotos beiseite und nahm den Baudelaire-Band heraus, den Katarina ihm geschenkt hatte. Er klappte das Buch auf und las die Widmung, die sie in ihrer schwungvollen Handschrift hineingeschrieben hatte. Er hörte noch ihre Stimme, mit der sie ihm die Gedichte vorgelesen hatte - in diesem eigentümlich melodiösen Französisch, das sie ihren Schülern beigebracht hatte. Fast war er froh, dass diese Zeit lange vorbei war, doch als er zwischen die kalten Laken schlüpfte und das Licht löschte, fand er, dass er schon viel zu lange allein in seinem Bett gelegen und sich nicht mehr für eine attraktive Frau ins Zeug gelegt hatte.
Wie so häufig, wenn er allzu streng mit sich ins Gericht gegangen war, bekam er plötzlich bessere Laune. In den letzten Tagen hatte er drei gutaussehende und ungebundene Frauen kennengelernt: Isabelle, die mangels eines Tatverdächtigen noch eine Weile in Saint-Denis bleiben würde; Pamela, die verrückte Engländerin, die in seiner Nachbarschaft lebte und, wie er fand, sehr interessant war; und deren Freundin Christine, die nur kurze Zeit hierbleiben würde, aber sehr unternehmungslustig zu sein schien und womöglich von allen dreien die hübscheste war. Mit ihr und Pamela würde er morgen Tennis spielen, an der Seite seines Freundes, des Barons.
Eine verlockende Aussicht. Der Baron war ein unverbesserlich ehrgeiziger
Weitere Kostenlose Bücher