Brut des Teufels
Regale mit Büchern und Akten, und auf einem Couchtisch türmten sich psychiatrische Zeitschriften. Das Fenster war mit Maschendraht vergittert, und darunter stand ein rotes, dreisitziges Sofa.
Dr. Keller blickte auf seine Armbanduhr. » Zwischen den Jahren haben viele Leute frei, und Dr. Miller ist nicht da. Sie können sein Büro daher so lange benutzen, wie Sie möchten«, sagte er. » Wie lange wird es denn Ihrer Meinung nach dauern?«
» Zwei Stunden sind normalerweise lange genug für eine Sitzung«, antwortete Barbara und legte ihre Aktentasche auf den Couchtisch. Sie öffnete sie und holte ein kleines, digitales Aufnahmegerät heraus.
Dr. Keller nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn an der Innenseite der Tür auf. Er trug ein kleines Funkgerät am Gürtel und gab damit der Zentrale durch, dass man Robyn Reynolds in Dr. Millers Büro bringen solle. Fünf Minuten später hörte man im Korridor ein Funkgerät knistern, und gleich darauf klopfte es an die Tür. Dr. Keller machte auf. Zwischen zwei uniformierten Wärterinnen stand Robyn. Sie trug denselben grauen Pullover mit Polokragen und dieselben roten Tennisschuhe von Converse wie beim letzten Mal und dazu ausgebeulte Bluejeans.
Sie lächelte Nightingale an. » Du kommst wohl nicht von mir los, was?«
Nightingale wusste nicht, wie er sie begrüßen sollte. Händeschütteln wirkte zu förmlich, aber er kannte sie nicht gut genug, um sie zu umarmen. Sie schien dasselbe Problem zu haben. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, lächelte dann verlegen und zuckte mit den Schultern.
» Das mit deinen Eltern tut mir leid«, sagte er. » Deinen Adoptiveltern.«
» Mir nicht«, antwortete sie. » Schert es mich, dass sie tot sind?« Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. » Es ist mir vollkommen egal, und das ist die absolute Wahrheit.« Sie lächelte strahlend. » Und, wie war Weihnachten für dich?«
» Ehrlich gesagt, nicht gut«, antwortete er. » Und für dich?«
» Hier drinnen ist jeder Tag so ziemlich wie der andere«, erwiderte sie. » Ich hatte eigentlich eine Karte erwartet.«
» Tut mir leid«, sagte Nightingale. Er stellte Barbara vor. » Hat Dr. Keller dir gesagt, was wir vorhaben?«
» Mich hypnotisieren, damit ich das Rauchen aufgebe?« Sie lachte. » Ein Scherz.«
» Es ist genau genommen keine Hypnose«, erklärte Barbara. » Es geht eher darum, Sie in einen Zustand tiefer Entspannung zu versetzen, damit Sie sich an das erinnern können, was Ihnen widerfahren ist.«
» Vielleicht will ich mich gar nicht daran erinnern«, erwiderte Robyn.
» Das stimmt«, pflichtete Barbara ihr bei.
Dr. Keller bedankte sich bei den beiden Wärterinnen. » Wir müssen vor der Tür warten«, sagte die eine.
» Verstehe«, antwortete Dr. Keller. » Mr Nightingale und ich werden in meinem Büro warten. Führen Sie Frau Dr. McEvoy bitte dorthin, wenn sie fertig ist.«
» Robyn, am besten setzen Sie sich aufs Sofa und entspannen sich«, sagte Barbara.
» Werden Sie eine Uhr vor mir pendeln lassen oder so?«, fragte Robyn, als sie sich setzte.
Barbara lächelte. » So läuft das nicht, Robyn«, sagte sie. » Ich werde einfach nur mit Ihnen reden.« Sie nahm das Aufnahmegerät und zog einen Stuhl neben das Sofa. » Meine Herren, wenn Sie uns jetzt bitte allein lassen würden«, sagte sie.
Dr. Keller führte Nightingale in sein Büro. Er erklärte, dass er Visite machen müsse, und ließ ihn mit einer Ausgabe des Daily Telegraph und einer Tasse Kaffee anderthalb Stunden allein. Dann kam er zurück, und sie plauderten, bis es an der Tür klopfte.
» Fertig«, sagte Barbara.
» Wie ist es gelaufen?«, fragte Dr. Keller.
» Es war interessant«, antwortete Barbara. » Ich denke, es wäre wahrscheinlich am besten, wenn ich die Aufnahme transkribieren lasse und Ihnen dann eine Kopie schicke.«
Dr. Keller schob seine Brille mit dem Zeigefinger der rechten Hand die Nase hinauf. » Hätten Sie gerne einen Tee? Wir könnten uns kurz unterhalten.«
Barbara blickte auf ihre Armbanduhr. » Wir müssen wirklich nach London zurück«, sagte sie. » Vielleicht nächstes Mal.« Sie streckte die Hand aus, und Dr. Keller schüttelte sie– weniger energisch als bei ihrer Ankunft.
Er brachte sie zum Ausgang zurück und winkte ihnen nach, als sie den Empfangsbereich verließen.
Als sie aus der Haupttür traten, näherte Barbara ihren Mund Nightingales Ohr. » Du wirst das verdammt noch mal nicht glauben«, flüsterte sie.
71
Nightingale trug die beiden Gläser zum
Weitere Kostenlose Bücher