Brut des Teufels
nicht gehört, und als Sie mich berührt haben…«
» Das tut mir wirklich schrecklich leid«, meinte Nightingale. » Aber als Sie nicht an die Haustür gekommen sind und ich gemerkt habe, dass die Küchentür unverschlossen war, dachte ich, Ihnen wäre vielleicht etwas zugestoßen. Ich bin wirklich froh, dass mit Ihnen alles in Ordnung ist.«
» Und Sie sind Journalist, sagten Sie?«
» Freiberuflich«, antwortete Nightingale. Er log Mrs Miller nicht gerne an, aber er wusste, dass die Leute lieber mit einem Reporter sprachen als mit einem Privatdetektiv. » Ich wollte einfach nur etwas Hintergrundmaterial über Connie. Für den Nachruf. Was für ein Mensch sie war, was für ein Leben sie geführt hat, damit die Leute sie besser zu würdigen wissen. Manchmal vermittelt ein allzu nüchterner Artikel den falschen Eindruck, wissen Sie?«
» Ich kann immer noch nicht glauben, was geschehen ist«, sagte Mrs Miller. » Ich habe einfach…« Sie schüttelte den Kopf. » Man denkt doch nicht…« Sie wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus den Augen, griff nach einer Schachtel Papiertaschentücher und tupfte sich mit einem das Gesicht ab.
» Ich bedaure Ihren Verlust zutiefst«, sagte Nightingale.
» Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte sie. » Der Arzt hat mir Tabletten gegeben, und ich höre viel Musik, aber nichts kann mir wirklich helfen.« Sie zeigte ihm wieder den iPod. » Connie hat mir den geschenkt. Und alle meine CD s darauf kopiert. Sie hat sich so gut mit Computern ausgekannt.« Sie tupfte sich die Augen trocken. » Aber ich muss stark sein, nicht wahr? Das sagt mein Mann immer.«
» Wo ist er denn jetzt, Mrs Miller?«
» Er geht mit dem Hund spazieren. Er sagt, es hilft ihm, wenn er in Bewegung bleibt.« Sie seufzte. » Connie war die perfekte Tochter, wissen Sie? Wir hatten nie irgendwelche Probleme mit ihr. Sie war ein fröhliches Baby, sie hat in der Schule nie Ärger gemacht, sie hat hart gearbeitet und sie…« Ihre Augen wurden feucht, und sie legte eine Hand auf die Brust. » Tut mir leid«, sagte sie. » Ich bin noch immer…« Sie seufzte. » Ich kann es nicht glauben. Ich kann einfach nicht glauben, dass sie so was getan hat.« Sie zog ein weiteres Papiertaschentuch aus der Schachtel und putzte sich die Nase. » Es tut mir leid«, sagte sie.
» War sie wütend über irgendetwas? Oder depressiv?«
Mrs Miller putzte sich die Nase. » Ich glaube nicht. Falls doch, hat sie mir oder meinem Mann nie etwas davon erzählt. Aber wahrscheinlich tun sie das einfach nicht. Menschen, die depressiv sind, machen das mit sich selber aus. Ich wünschte, sie hätte mit mir gesprochen. Ich weiß nicht, warum sie es nicht getan hat.«
» Womit hat sie ihren Lebensunterhalt verdient, Mrs Miller?«
» Hat für einen Immobilienmakler gearbeitet. War genau die Richtige für diesen Beruf. Hatte gerne Umgang mit Menschen, und alle haben sie gemocht. Sie hat immer gelächelt, war immer glücklich.« Wieder tupfte sie sich die Augen trocken.
» Was hat sie in ihrer Freizeit gemacht? Hatte sie irgendwelche Hobbys?«
» Eigentlich nicht«, antwortete Mrs Miller mit belegter Stimme. » Sie mochte das Internet. Sie hat, glaube ich, unzählige Stunden an ihrem Computer verbracht. Ich habe sie deswegen immer aufgezogen. Sie sagte mir, sie hätte bei Facebook dreihundert Freunde, und ich sagte ihr, in meinem ganzen Leben hätte ich wohl nicht mehr als zehn richtige Freunde gehabt. Das sind doch keine richtigen Freunde, die bei Facebook, oder?«
» Ich glaube nicht.«
» Genau das habe ich ihr auch gesagt. Wenn sie jemals einen Mann finden wollte, dann in der realen Welt und nicht im Internet.«
» Sie hatte also keinen Freund?«
Beide schauten sich um, als sie Schritte in der Küche hörten. » Erwarten Sie jemanden, Mrs Miller?«, flüsterte Nightingale.
Sie runzelte die Stirn. » Mein Mann ist das nicht; der ruft immer, wenn er die Tür aufmacht.«
Man hörte das Geräusch eines Stuhls, der über Linoleum schrappte. Nightingale stand auf und bedeutete Mrs Miller mit einem Wink, still zu bleiben. Er blickte sich nach etwas um, das er als Waffe verwenden konnte.
Ein Schürhaken aus Messing und ein dazu passender Feger hingen in einem Gestell beim Kamin. Er griff nach dem Schürhaken, hielt ihn erhoben und schlich auf Zehenspitzen zur Küche.
Er war gerade zwei Schritte gegangen, als jemand: » Jetzt, jetzt, jetzt!« schrie. Vier uniformierte Polizisten stürmten schreiend und Schlagstöcke
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