Buch Der Sehnsucht
Bassist der „Rolling Stones", mit seinen inzwischen über Sechsundsechzig Jahren schon ein älterer Herr, hat einem deutschen Zeitungsreporter denn kürzlich auch gestanden, dass das Leben als Rockstar keineswegs so glitzernd ist, wie sich das viele vorstellen: „Du bist nie wirklich zu Hause, du lebst wie ein Goldfisch in seinem Glas, es gibt zu viel Alkohol und zu viele Drogen. Es zerstört deine Seele" (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 15.11.2002).
Die Seele braucht etwas anderes. Denn Sucht vermittelt kein Glück, sondern zerstörerische Abhängigkeit. Auch ein berühmter Sänger, der vom Publikum umjubelt wird, kann sich, wenn er allein in seinem Hotelzimmer sitzt, einsam und elend fühlen. Da spürt er, dass er vom Erfolg nicht leben kann. Wir alle brauchen etwas anderes, das nicht verhallt wie der Applaus. Jeder von uns braucht den Reichtum in seinem Inneren: einen inneren Frieden, eine Ahnung von seiner Würde und von einer absoluten Freiheit und Geborgenheit. Nicht in der Ferne, in die er jagt, nicht im Rampenlicht, nach dem sich mancher sehnt, sondern in ihm selbst ist das, wonach er sich im Tiefsten sehnt: Authentizität, Geborgenheit, Liebe, Freiheit, Würde, Leben, Wahrheit, Klarheit und Licht.
EWIG HIN- UND HERGERISSEN
„Ich will meine Sehnsuchtsziele gar nicht erreichen. Ich finde es wunderbar, Sehnsucht nach etwas zu haben, das ich nie erreichen kann. Die Sehnsucht stirbt an der Schwelle zur Erfüllung." Udo Jürgens hat das in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt. Der inzwischen bald 70jährige Rockstar ist mit über 70 Millionen verkauften Platten ein sehr erfolgreicher Schlagersänger, der über 600 Songs komponiert hat, die oft das Thema Liebe und Emotionen besingen.
Es klingt verblüffend. Manche klagen, die Sehnsucht würde sie krank machen, weil sie nie erfüllt wird. Udo Jürgens hält gerade das Nichterfüllen der Sehnsucht für etwas Beglückendes. Die Sehnsucht treibt uns an, immer weiter zu suchen, uns immer neu auf den Weg zu machen. Die Sehnsucht hält uns lebendig. Sie macht das Herz weit. Sie ist die Quelle der Kreativität. Offensichtlich war die Sehnsucht nach dem, was man nie erreichen kann, eine Quelle, aus der dieser populäre Komponist und Sänger seine Lieder gedichtet und gesungen hat. Und vielleicht war es dieselbe Sehnsucht, die so viele Menschen erreicht und angesprochen hat. „Meine Seele ist zwiegespalten", sagt er dem Reporter im Gespräch über die innere Spannung seines Lebens und verweist auf ein Lied, das er selbst komponierte. In diesem Lied drückt Udo Jürgens aus, wie er sein Leben lebt und versteht: „Ewig hin- und hergerissen, zwischen Sehnsucht und Gewissen - Hier, was ich fühle - da, was ich weiß - In Gefahr, mich zu verletzen, an den eignen Gegensätzen hier viel zu kalt und da viel zu heiß." Die Spannung zwischen Wissen und Gefühl hält den Menschen lebendig. Aber sie kann ihn auch zerreißen und ihn an den Gegensätzen zugrunde gehen lassen. Die richtige Balance zu finden zwischen Wissen und Sehnsucht - darin besteht offensichtlich die Kunst des Lebens. Wir brauchen beides: das Wissen und die Sehnsucht. Wer nur in seiner Sehnsucht lebt, kann sich daran verbrennen. Wer nur im Wissen lebt, für den wird alles kalt. Wir brauchen die Sehnsucht, damit in die kalte Welt unseres Wissens Wärme hineinströmt.
BESCHMUTZT UND REIN
Schon an unserem Körper merken wir, wie sehr uns tiefe Erfahrung berühren. Wenn wir müde und verschwitzt nach Hause kommen, dann sehnen wir uns nach einem erfrischenden Bad. Danach fühlen wir uns rein, gereinigt nicht nur vom äußeren Schmutz, sondern auch von allem inneren Unrat, der sich mit den täglichen Konflikten in uns angesammelt hat. Dieses Gefühl von Reinsein weckt in uns die Sehnsucht nach wahrer Reinheit. Dieses Gefühl ist umfassend und geht über die bloß körperliche Erfahrung weit hinaus. Nicht umsonst spricht man in einem kritischen Sinne von „schmutziger Wäsche". Von öffentlichem Sumpf, von moralischem Morast ist die Rede. Gerade in einer Zeit, in der man täglich von Skandalen lesen kann und die Öffentlichkeit von Bilanzfälschungen und Korruptionsskandalen erschüttert wird, sehnen wir uns nach Integrität, nach Reinheit. Wir haben das tiefe und sichere Gespür, dass wir anders leben sollten. Wir sehnen uns nach Menschen, die in sich klar und lauter sind, die mit reiner Gesinnung ihre Aufgabe erfüllen, ohne Nebenabsichten, ohne sich selbst unrechtmäßig
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