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Buch Der Sehnsucht

Titel: Buch Der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Klosterwelt erlaubt hat, hat in der Welt erfahren, dass vieles seine Sehnsucht nicht stillt. Indem er sich seinen Wunsch erfüllt hat, ist in ihm etwas anderes aufgebrochen, die Sehnsucht nach dem Eigentlichen und Wesentlichen. Manchmal müssen wir uns einen Wunsch erfüllen, um zu sehen, dass seine Erfüllung unsere tiefste Sehnsucht nicht stillt. Es gibt Menschen, die ihr Leben lang von einer anderen Welt träumen, sich aber nicht trauen, überhaupt einen Schritt in die Richtung ihres Traumes zu tun. Sie verbrauchen ihre ganze Energie damit, von der anderen Welt zu träumen. Da ist es manchmal sinnvoll, sich diesen Traum zu erfüllen. Denn erst dann erkennt man, wie realistisch oder unrealistisch er wirklich ist. Wenn ich mir erfülle, was ich als mein tiefstes Bedürfnis erfahre, erlebe ich möglicherweise, dass ich damit noch lange nicht zufrieden gestellt bin. Es kann sein, dass ich alle meine Bedürfnisse erfüllen kann - und doch bleibt meine Sehnsucht bestehen. Das hat der Mönch unserer alten Geschichte erfahren. Er hat sein Bedürfnis, die Welt zu sehen, gestillt. Doch seine Sehnsucht nach dem Eigentlichen, aus dem und für das er leben möchte, wurde nicht erfüllt. Im Gegenteil, sie wuchs noch mehr. Und diese Sehnsucht ermöglichte es ihm, wieder in die Enge des Klosters zurückzukehr en. Er wusste nun, dass die Weite der Welt nicht unbedingt weit macht. Wenn das Herz durch die Sehnsucht weit geworden ist, dann kann es auch in der Enge des Klosters seine Weite bewahren.

    AUFBLITZEN DES UNENDLICHEN

    Der irische Dichter John O'Donohue hat einen eindrucksvollen Satz gesagt über die transzendierende Kraft unserer Seele: „Das Schönste, was wir überhaupt besitzen, ist unsere Sehnsucht; diese innerseelische Kraft ist spiritueller Natur und besitzt eine herrliche Tiefe und Weisheit." Für O'Donohue ist es die Sehnsucht, die den Menschen heiligt und ihm seine Würde gibt. Sie heiligt ihn, d. h., sie nimmt ihn heraus aus dem Terror dieser Welt. Sie gibt ihm etwas Heiliges und Unantastbares. Nach der Auffassung der griechischen Philosophie vermag allein das Heilige zu heilen. Wenn das stimmt, dann wird der Mensch, der seine Sehnsucht verdrängt, krank. Zur Gesundung braucht er die Sehnsucht geradezu. Doch der irische Poet weiß auch, dass wir die Sehnsucht überbeanspruchen, wenn wir sie auf das Göttliche richten, das nur außerhalb von uns ist. Das Göttliche ist auch in uns. Christus ist in uns - sagt die Mystik. Wenn wir unsere Sehnsucht überspannen, sie nur auf das Ferne ausrichten, nur ins Unbestimmte treiben lassen, überspannen wir damit unsere eigene Seele. Dann besteht die Gefahr, dass die Sehnsucht ihr Ziel nicht findet und in sich zurückfällt. Dann wird sie zynisch und leer. Die Sehnsucht braucht ein Ziel. Und dieses Ziel ist zugleich in und über uns. Es ist der Gott, der in uns wohnt, aber der uns zugleich übersteigt, der uns in das eigentliche Geheimnis unseres Seins einführt. Es ist eine doppelte Bewegung - und doch eine einzige Wirklichkeit: Die Sehnsucht nach Liebe zielt nach der konkreten Erfahrung von Liebe durch einen Menschen. Aber in dieser konkreten Liebe steckt zugleich die Sehnsucht nach einer noch größeren, nach einer alles umfassenden Liebe. Diese alles übersteigende Liebe begegnet uns zwar schon in der menschlichen Liebe. Aber sie geht nicht in ihr auf. Die menschliche Liebe verzaubert uns, doch ist sie brüchig und begrenzt. Trotzdem blitzt in ihr etwas von der unendlichen Liebe auf, nach der wir uns in allen beglückenden und enttäuschenden Erfahrungen menschlicher Liebe sehnen. 

    NICHT WELTFREMD

    Unter den großen Denkern der umfassenden Einheit der Wirklichkeit ist Nikolaus von Kues einer der wichtigsten. Nikolaus von Kues war ein mutiger Denker, von dem man mit Recht sagen kann: Er läutete eine neue Zeit ein und steht als Philosoph am Anfang des modernen Denkens. Zugleich war Nikolaus aber auch ein Mystiker. Er sammelte die Schriften von drei Mystikern, die von der Kirche verurteilt worden waren: Scotus Eriugena, Meister Eckhart und Ramon Llull. Die Verurteilungen schrieb er „schwachen Augen" und „Mangel an Einsicht" zu. Er traute seiner eigenen Sehnsucht. Und diese führte ihn über alle Begriffe und Bilder hinaus in die Unendlichkeit Gottes. Nikolaus hat sich von seiner Sehnsucht leiten lassen und so die engen Vorstellungen seiner Zeit weit hinter sich gelassen. „Du bist, o Gott, die Unendlichkeit, die allein ich in jeder Sehnsucht ersehne." So

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