Buch des Todes
Kriminalliteratur lernen«, sagte sie mit dem kleinen Machtvorteil der Frau, die mit einem Mann ein Geheimnis teilt. »Dieser Fall weist nämlich ziemlich viele Gemeinsamkeiten mit einer Reihe von Krimis auf.«
»Zum Beispiel?«
»Die Ablenkung. Die Sache mit Silvia Freud und diesem Nevins hat nichts mit den eigentlichen Morden zu tun. Der Mörder ist noch immer da draußen unterwegs, und der arme Jon ist auch nach wie vor verschwunden, während wir unsere Zeit hier mit Reden vergeuden.«
»Im Prinzip stimmt das, aber was macht Sie so sicher, dass Jon Vatten nicht der Mörder ist?«, fragte Felicia Stone.
»Sag nichts«, fiel Singsaker ihr ins Wort. »Du weißt es einfach, nicht wahr?«
»Richtig«, sagte Siri Holm. »Ich weiß es einfach.«
Er bemerkte, dass Felicia die junge, vor Frische strotzende Bibliothekarin mochte, wusste aber nicht, ob er das gut finden sollte oder nicht.
Sein Handy klingelte. Lars unternahm einen erneuten Versuch, und dieses Mal schaltete er das Handy ganz aus.
29
E twa zu diesem Zeitpunkt kam Isak Krangsås ins Wohnzimmer. Er war in der Scheune gewesen und stand jetzt mit schmutzigen Stiefeln auf dem braunen Parkettboden.
»Nun, haben die Detektive etwas gefunden?«, fragte er auf Norwegisch.
»Ja, ziemlich viel, aber trotzdem nicht das, was wir gesucht haben«, antwortete Singsaker ebenfalls auf Norwegisch. Es kam ihm absurd vor, mit dem Bauern Englisch zu sprechen.
»Es gibt eine Sache an diesem Johannesbuch , die mir immer komisch vorgekommen ist«, sagte Krangsås. »Ich habe eine Menge über dieses Buch gehört, nachdem ich es abgegeben habe, habe Papiere signiert, Dankesbriefe von der Gunnerusbibliothek bekommen, und so weiter und so fort.Aber von den Messern habe ich nie wieder was gehört.«
»Was für Messer?«, fragte Singsaker und richtete sich im Stuhl auf.Auch Siri Holms Interesse schien mit einem Mal geweckt zu sein.
»Ja, also, ich hatte damals ja auch so eine große Lederrolle mit allen möglichen Messern und ein paar Bohrern. Mein Vater meinte, die gehörten zu dem Johannesbuch . Der Adelige, der seinerzeit mit dem Buch hier auf den Hof gekommen ist, hatte auch diese Messer dabei. Sie waren sehr alt, aber in einem wirklich guten Zustand. Ich habe sie Jens Dahle gegeben, als er das Johannesbuch mitgenommen hat, und irgendwie hatte ich erwartet, auch darüber noch etwas zu hören. Ein Buch mit so vielen Messern als Beiwerk ist doch eine spannende Geschichte.Aber die Messer scheinen irgendwie verschwunden zu sein.«
»Sah eins der Messer vielleicht wie ein Skalpell aus?«, fragte Singsaker.
»Ja, wo Sie es sagen. Einige davon hätten chirurgische Werkzeuge sein können, aber eben uralt. Ich hätte mich nicht gern damit operieren lassen, um es mal so zu sagen.«
Gleich mehrere Gedanken schossen Singsaker durch den Kopf.
»Der Hof von Jens Dahles Eltern«, sagte er, um irgendwo anzufangen, »wo liegt der genau?«
»Unten am Wasser. Sie müssen einfach den Weg weiterfahren, der an der ersten Hütte vorbeiführt, also an der, die Sie schon kennen.«
»An der ersten Hütte?«
»Ja. Die zweite Hütte steht da, wo ursprünglich der Dahle-Hof gestanden hat, aber der ist ja abgebrannt. Jens’ Eltern sind dabei ums Leben gekommen . Angeblich war es Brandstiftung, aber der Täter ist nie gefasst worden. Viele Jahre später hat Jens dann auf dem Grundstück eine Hütte gebaut. Ja, und wenn Jens jetzt von seiner Hütte spricht, meint er die unten am Wasser. Die Hütte von Gunn Brita nennen sie den Speicher, fragen Sie mich nicht, warum. Die Hütte unten am Wasser ist Jens’ Reich. Da fährt er immer allein hin. Gunn Brita hat mir mal erzählt, dass er nicht will, dass sie mit ihm dorthin geht. Ich glaube, das hat ihr nichts ausgemacht. Ein Mann braucht einen Ort, an dem er für sich sein kann, hat sie mal gesagt.«
»Moment mal, wenn seine Kinder sagen, er sei in seiner Hütte gewesen, heißt das dann, dass er unten am Wasser war?«, fragte Singsaker. Langsam, aber sicher fügten die Puzzlesteinchen sich zusammen.
»Davon würde ich ausgehen, ja«, sagte Krangsås.
»Wissen Sie, ob das Ehepaar die Kinder schon einmal allein in der Hütte gelassen hat, also im Speicher?«
»Gut möglich. Die Kinder sind ziemlich selbstständig. Ich glaube nicht, dass sie Probleme damit hätten, mal für ein paar Stunden alleine zu sein.Vermutlich würden sie sich die ganze Zeit mit ihren kleinen Spielemaschinen beschäftigen. Die Kinder machen heutzutage doch kaum noch etwas
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