Buch des Todes
konnte.
»Deshalb rufe ich ja an. Bevor wir was festlegen, wollten wir mit dir sprechen. In der Regel hast du ja das dichteste Programm.«
»Och, macht euch darüber doch keine Gedanken. Macht die Taufe dann, wenn es euch am besten passt.«
»Wenn du meinst, aber wir würden uns wirklich freuen, wenn du dann auch kommen könntest«, sagte Lars viel zu leise und ohne wirkliche Hoffnung.
»Ich komme«, antwortete er. Dann legten sie auf.
Er ging, um nach Mona Gran zu sehen, die sich still und leise davongeschlichen hatte.Während er sie suchte, nahm er das Handy heraus und rief Brattberg an. Er erreichte nur den Anrufbeantworter. Thorvald Jensen hingegen antwortete nach dem ersten Klingeln.
»Bist du im Präsidium?«, fragte Singsaker.
»Bin gerade zurückgekommen.Wenn du mich fragst, entbehren die Gerüchte über den Pastor jeder Grundlage. Und was ist mit dir? Hab gehört, du bist in die Bibliothek gefahren. Ist es schlimm?«
»Ja.Wir brauchen hier mehr Leute. Ein Großaufgebot von der Spurensicherung, wirklich alle verfügbaren Kräfte.«
»Okay, ist in Ordnung«, antwortete Jensen.
»Ich brauche auch Leute, um die Zeugen zu befragen.«
»Wir kommen mit so vielen Leuten wie möglich.«
»Gut, und noch was. Kannst du etwas über einen JonVatten herausfinden?«
Es folgte ein Moment der Stille. Dann sagte Jensen:
»Machst du Witze?«
Singsaker stöhnte und dachte nach. Er hatte Thorvald am Apparat. Da kam er jetzt nicht so leicht raus.
»Ich kenne ihn, nicht wahr?«, fragte er.
»Ich glaube, die haben dir mehr als bloß deinen Tumor aus dem Kopf geschnitten«, sagte Jensen so brutal ehrlich, wie nur ein wirklicher Freund es sein kann.
»Manchmal fürchte ich das auch, Thorvald«, sagte er.
»Nimm es nicht zu schwer. So etwas braucht seine Zeit. Jon Vatten stand vor gut fünf Jahren unter Mordverdacht.Wir haben ihn immer wieder und lange verhört.Wir zwei hatten damals den Fall. Er wurde verdächtigt, Frau und Sohn umgebracht zu haben.Aber die Leichen wurden nie gefunden, und Vatten hatte ein ziemlich solides Alibi. Der Fall ist noch immer ungelöst, wird aber inzwischen als Vermisstenfall geführt.Wir wissen noch immer nicht, ob damals ein Verbrechen stattgefunden hat oder nicht.Aber wir haben uns unseren Teil gedacht. Mann, sei froh, dass du das vergessen hast.Vor diesen Geschehnissen war Vatten übrigens ein sehr vielversprechender Akademiker. Danach hatte er einen Zusammenbruch, war eine Zeit lang in der Østmarka-Klinik, bevor er dann als Wachmann in der Bibliothek angefangen hat. Ich habe gleich an ihn gedacht, als ich heute von diesem Fall gehört habe.«
»Mit anderen Worten also jemand, den man nicht so schnell vergisst.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Und, glaubst du, dass er was mit diesem Fall zu tun hat?«
»Das solltest eigentlich du mir sagen. Du bist schließlich vor Ort.«
»Ich kann nur sagen, dass der, der das hier angerichtet hat, in eine härtere psychiatrische Anstalt gehört als in die Østmarka. Das ist definitiv ein Fall für Brøset.«
»Ich denke, wir sollten mal zu euch kommen«, sagte Jensen.
»So schnell wie möglich«, antwortete Singsaker und legte auf.
Er fand Mona Gran draußen auf dem Bürgersteig vor dem Haupteingang.
»Ich hätte nicht gedacht, dass es so grausig ist«, sagte sie entmutigt. Sie sah blass aus; er konnte aber kein Anzeichen dafür erkennen, dass sie sich übergeben hatte.
»Nein, das konnte aber auch niemand wirklich erwarten«, antwortete er, nahm ein Päckchen Fisherman’s Friends heraus, die er zufällig in der Tasche hatte, und bot ihr davon an. Sie hatte die Pastille kaum in den Mund gesteckt, als sein Handy klingelte. Ein Name, der eine vage, unangenehme Erinnerung weckte, stand auf dem Display.Vlado Taneski, ein Journalist bei der Zeitung Adressavisen . Sohn mazedonischer Eltern, selbst aber durch und durch Norweger.Verdammt, wo kriegt der seine Informationen her?, fragte er sich. Dann fiel ihm ein, dass Thorvald und er schon einmal einen ganz konkreten Verdacht gehabt hatten – an den Namen konnte er sich allerdings nicht mehr erinnern. Er drückte den Anruf so fest weg, dass ein Abdruck auf seinem Finger zurückblieb.
Mona und er standen schweigend nebeneinander und lutschten ihre Fisherman’s.
1864 starb Bruder Lysholm Knudtzon im Alter von sechsundsiebzig Jahren in Trondheim. Er war ein Kaufmannssohn, der aber die Geschäfte seines Vaters hasste und sein Leben der Wissenschaft, der Kunst und Literatur widmete. Er selbst
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