Buch des Todes
hat nicht viel produziert und soll die meisten seiner persönlichen Briefe und Notizen vor seinem Tod sogar verbrannt haben, sodass nicht nachzuweisen ist, ob er überhaupt ein literarisches Talent hatte.
In dem Feuer verbrannten auch eine Reihe von Briefen, die Knudtzon aus dem In- und Ausland erhalten hatte, da runter mehrere Schreiben des Engländers Lord Byron, einem nahen Freund von Knudtzon. Seine Bücher verbrannten zum Glück nicht. Stattdessen vermachte er seine gesamte Bibliothek, samt zwei Basreliefs und drei Büsten des großen dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen, der Königlich Norwegischen Wissenschaftlichen Gesellschaft. Eine Bedingung in seinem Testament lautete, dass ein spezieller Raum für die Aufbewahrung seiner Bücher und Kunstwerke eingerichtet werden müsse, in dem »aus Rücksicht auf die Konservierung der Sachen das Rauchen von Tabakspfeifen zu untersagen sei«. Unter Umständen handelt es sich bei dieser Klausel um das erste Rauchverbot Norwegens.
Im Knudtzonsaal in der heutigen Gunnerusbibliothek stehen seine Bücher in Mahagoniregalen mit Palmetten. Die Basreliefs Nacht und Tag von Thorvaldsen, wie auch das Ölgemälde Jacob Munchs, das den jungen Knudtzon zeigt, zieren die Wände, und an der Decke hängt ein kristallener Kronleuchter. Die Büchersammlung beeindruckt nicht durch ihre Fülle an Büchern – es handelt sich um rund 2000 Ti tel –, sondern durch ihre Qualität. Knudtzons Bibliothek be inhaltete eine Reihe Erstausgaben französischer, englischer (insbesondere Lord Byron), deutscher, italienischer und däni scher Klassiker sowie zahlreiche Reisebeschreibungen. Einige der Bücher sind äußerst selten, gedruckt auf Pergament, Kalbsleder oder Saffian. Nach Knudtzons Tod fand man komplett erhaltene, große Häute, die der Literaturliebhaber gekauft hatte, um damit seine Bücher einzubinden.
Als Singsaker in den Knudtzonsaal kam, um mit den Angestellten zu reden, konnte er sich nur verschwommen an das erste Mal erinnern, als er in diesem Raum gewesen war, weshalb er sich fragte, woher sein ganzes unnötiges Wissen über Knudtzon stammte. So erging es ihm in der letzten Zeit häufiger. Er erinnerte sich an die trivialsten Details, die er vor ewigen Zeiten gelesen hatte, während wichtige, einschneidende Erlebnisse in seinem Leben verschwunden waren. Er erinnerte sich aber, dass er früher häufiger mit seiner Frau bei Vorträgen im Knudtzonsaal gewesen war. Damals hatten sie noch ihr kulturelles Interesse miteinander geteilt, was sie irgendwie eng zusammengeschweißt hatte, wenn er sich recht erinnerte.
Als der Hauptkommissar den Raum betrat, saßen alle Angestellten der Bibliothek auf den Jugendstilstühlen um den langen Tisch herum.Auf dem Boden lag ein handgeknüpfter persischer Teppich. Die Wände hinter den Regalen waren mit einer grünen Lasur gestrichen, und die hohe Decke war weiß gekalkt. Er hatte das seltsame Gefühl, eine fiktive Welt zu betreten, und musste plötzlich an Mona Grans Kommentar über Agatha Christie denken. Die Leiche in der Bibliothek wäre ein durchaus passender Titel gewesen, dachte er. Und alle Verdächtigen sind im Knudtzonsaal versammelt, wenn der Ermittler auftaucht. Er legte die Arme hinter den Rücken und ging langsam am Tisch entlang, während er sich vorstellte. Da klingelte sein Telefon. Es war Brattberg. Singsaker entschuldigte sich und ging wieder nach draußen auf den Flur. Seine Chefin hatte eine klare, einfache Botschaft:
»Bring Jon Vatten mit hierher aufs Präsidium, wenn Jensen kommt.«
»In Ordnung«, sagte er und hob den Blick. »Jensen ist schon da.« Er legte auf und sah zu Jensen hinüber, der gerade in Begleitung von drei weiß gekleideten Kriminaltechnikern auf den Flur getreten war.
»Die sitzen alle da drin«, sagte Singsaker und zeigte auf die Tür des Knudtzonsaals. »Kümmerst du dich um sie?Vermutlich ist es am besten, wenn du einen nach dem anderen in einem separaten Raum befragst und sie dann nach Hause schickst.Warte mit Vatten. Ich nehme ihn mit, wenn ich die Jungs in Weiß da drüben eingewiesen habe.« Er zeigte auf die Techniker und bemerkte zu spät, dass zwei von ihnen Frauen waren. Sie sahen ihn mitleidig an wie einen hoffnungslosen Trottel. Der Dritte im Bunde war Grongstad, der Inbegriff des männlichen Bluthundes. Er grinste schief.
»Long time no see«, sagte er.
»Schön, dich wiederzusehen«, antwortete Singsaker und meinte es wirklich so. Grongstad war ein Trønder im wahrsten Sinne des
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