Buch des Todes
an ihre unbändige Lust, die Kiefer zusammenzupressen, als er tief in ihr war, und ihm sein Scheißteil abzubeißen.Aber sie hatte sich nicht getraut. Manchmal lag sie wach und dachte stundenlang darüber nach, ohne zu merken, dass sie ihre Kiefermuskeln so fest anspannte, dass anschließend ihr ganzer Mund schmerzte. Sie sah ein, dass sie mehr Pillen oder Alkohol brauchte.Anfänglich trank sie nur morgens, damit ihre Eltern nichts rochen, wenn sie abends nach Hause kamen. Tagsüber und abends kam sie mit Pillen aus. Der Nachschub war gesichert. Brad war hilfsbereit. Er verkaufte ihr das Zeug allerhöchstens zum Einkaufspreis, wenn er nicht sogar selber noch was drauflegte. Er musste längst erkannt haben, dass sie an etwas Schlimmerem litt als bloß an Prüfungsangst, und schien wirklich zu glauben, ihr auf diese Weise helfen zu können.Was er in gewisser Weise ja auch tat.
Irgendwann war ihr aber auch das egal. Sie trank jetzt den ganzen Tag und ging ihren Eltern abends aus dem Weg. Entweder saß sie in ihrem Zimmer, oder sie tat so, als wäre sie bis in die Nacht unterwegs, und kam erst zurück in die Woh nung, wenn ihr Vater bei der Arbeit und ihre Mutter im Bett war. Trotzdem war es nur eine Frage der Zeit, bis die anderen etwas merkten, da auch ihre Fähigkeit, ihr Doppelleben zu verbergen, mit jedem Tag abnahm, was sie selbst im Rausch erkannte. Im Laufe des Sommers nahm die Gleichgültigkeit rasant zu, und irgendwann verabschiedete sie sich mehr und mehr aus dem wirklichen Leben. Ihre Freundinnen fuhren glücklicherweise beide in die Ferien, bevor sie allzu misstrauisch werden konnten, und da Felicias Eltern davon nichts wussten, konnte sie die beiden weiterhin als Alibi nutzen. Trotzdem war es nur eine Frage der Zeit, bis ihre Eltern ihr auf die Schliche kämen, das wusste sie.Wie sie auch wusste, was sie mit ihr tun würden, wenn sie den Ernst der Lage erst erkannt hatten. Dann hieß es: Drogenent zug. Und was Felicia Stone am meisten fürchtete, war, dass es womöglich Hoffnung für sie gab und sie jemand aus ihrer Nebelwelt führte, in der sie lebte.Weil das nämlich bedeuten würde, dass sie fortan mit dem Geschmack von Shaun Nevins Schwanz in ihrem Mund leben musste.
Zu guter Letzt verstand sie, dass es nur einen Ausweg gab.
An einem Vormittag Anfang August öffnete sie die Post, die ihre Mutter auf den Küchentisch gelegt hatte. Es war eine Antwort von der Uni in Richmond. Felicia hatte einen Studienplatz für englische Literatur bekommen. Sie knüllte den Brief zusammen und steckte ihn ohne jede Gefühlsregung in die Tasche. Dann ging sie nach draußen, ging zum Nachbarhaus und klingelte bei Familie Davis.Wie sie gehofft hatte, öffnete Brad.
»Brauchst du schon wieder was?«, fragte er und verdrehte die Augen. Er bat sie ins Haus.
»Nein, es wird nicht lange dauern«, sagte Felicia. »Ich komme nicht wegen der Pillen.«
»Nicht?«
»Nein. Ich will nur wissen, ob du mir auch was anderes besorgen kannst?«
»Und das wäre?«
»Heroin«, sagte sie kleinlaut.
Brad sah sie lange mit seinen kleinen Pupillen an.
»Heroin? Willst du dich umbringen?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Felicia und wusste, dass sie genau das vorhatte, nur eben auf langsame Art und Weise.
20
Richmond, September 2010
D er September schien ebenso warm und stickig zu werden, wie es der August gewesen war. Nachdem die Polizei von dem Stückchen fünfhundert Jahre alter Menschenhaut erfahren hatte, das Efrahim Bond zur Analyse an das VCU geschickt hatte, gingen die Ermittlungen des Mordes an dem Museumsleiter in eine neue Richtung. Plötzlich stand das Buch, das Mrs. Price ohne Lederrücken gesehen hatte, im Fokus und wurde bald darauf samt Lederrücken in der Schreibtischschublade von Bonds Büro gefunden. Laubach hatte wieder einmal den richtigen Riecher gehabt.
»Ein Buchrücken aus Menschenhaut. Hast du so etwas schon einmal gehört?«, fragte Felicia Stone ihren Chef und schüttelte den Kopf. Sie saßen allein in seinem Büro, während Johnes geräuschvoll eine Karotte knabberte.
»Ob du es glaubst oder nicht, nicht nur gehört, sondern auch schon mal gesehen«, sagte Johnes. Nur das stille Funkeln in seinen Augen verriet, wie zufrieden er mit seiner Antwort war. Felicia sah ihn gespannt an. Sie unterschätzte Johnes’ Allgemeinbildung schon lange nicht mehr.
»Das Buch steht im Anatomiemuseum der Universität von Edinburgh. Ich war vor vielen Jahren auf der Hochzeitsreise mit meiner Frau dort.
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