Buch des Todes
Donnerstagmorgen stärken wollten, während er auf den Bus wartete. Felicia grüßte ihn aus alter Gewohnheit. Er war es, der ihr den ersten Kuss gegeben hatte. Falls nicht sie sich den Kuss von ihm geklaut hatte, weil er selbst damals viel zu schüchtern gewesen war, um aktiv zu werden. Es war in der Holzhütte im Hinterhof der Familie Davis geschehen, sie waren etwa acht Jahre alt gewesen. Es hatte sich feucht und seltsam angefühlt, und Brad war so glücklich über diesen Kuss gewesen, dass er ihr ein paar Tage später einen herzförmigen Lolly geschenkt hatte. Sie hatten sich danach nie wieder geküsst, waren aber gute Freunde geworden. Bis sie etwa dreizehn waren, Brad Pickel bekam und zu dealen anfing, Felicias kleiner Busen wuchs und sie sich für Gedichte zu interessieren begann. Nur den morgendlichen Gruß an der Bushaltestelle hatten sie beibehalten.
An diesem Tag ging Felicia direkt zu ihm. Er sah sie überrascht an, als sie ihm zwanzig Dollar in die Hand drückte.
»Ich brauche etwas, das mich beruhigt«, sagte sie.
»Die Nerven? Wegen der Prüfungen?«, fragte er.
Felicia sah ihn verwirrt an. Das Abschlussexamen in der kommenden Woche hatte sie ebenso vergessen wie die darauffolgende Zeremonie, bei der sie mit Talar und Quastenhut antreten mussten und Holly die Abschlussrede vor allen Eltern halten sollte.
»Das Stärkste, was du auftreiben kannst«, sagte sie nur.
»Das braucht ein bisschen Zeit«, sagte Brad.
»Ich komme morgen früh wieder.« Dann lief sie zurück zum Haus, ging aber nicht in den zweiten Stock, sondern nach unten in den Keller, wo sie einen Raum am Ende des Flures betrat.Auf der Tür stand in Kinderschrift und in klaren Farben: »Geheimclub! Zutritt nur für Holly, Susan und Felicia!« Felicia erinnerte sich noch daran, wie sie diese Worte vor etwa acht Jahren geschrieben hatte. Die Wände im Inneren des Raumes waren mit gemalten Prinzessinnen, Pferden, Sternen und Planeten verschönert. In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch mit einer ausgebrannten Tropfkerze, die in einer über und über mit Wachs bedeckten Flasche steckte. Unter dem Kellerfenster, durch dessen geblümten Vorhang das Tageslicht sickerte, stand ein Sofa. Felicia Stone, bald achtzehn Jahre alt, legte sich auf das Sofa und starrte an die Decke, ohne die geringste Hoffnung, einschlafen zu können. Um 12 Uhr hörte sie, wie ihre Mutter das Haus verließ, um zu ihrem Teilzeitjob in der Stadtteilbibliothek zu gehen.Anschließend schlich sie sich hoch und stahl Tabletten. Sie erhöhte die Dosis auf drei Pillen und wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihre Mutter etwas bemerkte.
Hoffentlich hielt Brad sein Versprechen.
*
Er tat es.
Valium hat einen generell betäubenden Effekt. Nimmt man mehr als die empfohlene Dosis, wird das Gefühlsleben ziemlich lahmgelegt. Felicia erhielt von Brad genug Valium, um damit die Prüfungen und die Abschlusszeremonie durch zustehen. Sie log ihre Freundinnen an, erzählte, dass alles in Ordnung und zwischen ihr und Shaun Nevins nichts geschehen sei, obwohl er bestimmt in der ganzen Schule herumposaunt hatte, dass sie ihm einen geblasen hatte. Ihren Freundinnen sagte sie, dass Sex sie nicht mehr interessierte und sie selbst bestimmen wollte, wann sie es das erste Mal machte. Im Stillen dachte sie, dass dieser Zeitpunkt nie kommen würde.
Zum Glück saß sie bei der Prüfung nicht im selben Raum wie Shaun und war auch bei der Abschlusszeremonie so weit von ihm entfernt, dass sie ihm nicht mehr in die Augen sehen musste. Danach verschwand er auf eine Inter railtour durch Europa und anschließend auf irgendeine Elite-Uni im Osten, während sie mit ihren Pillen in Richmond blieb.
In den folgenden Wochen wurde die Wirkung, die sie so erfolgreich durch die letzten Schultage gelotst hatte, immer schwächer, worauf sie begann, die Pillen mit Bourbon oder Bier runterzuspülen. Sie verbrachte Stunden im Keller, außer Gefecht gesetzt von Pillen und Alkohol, während ihre Eltern glaubten, sie sei bei Holly. Holly wiederum wähnte sie bei Susan, und Susan dachte, sie sei zu Hause.
Aber das Gefühl der Taubheit versagte mehr und mehr, und plötzlich schmeckte sie wieder Shaun Nevins Schwanz, der sich in ihren Mund drängte, und roch den strengen, salmiakartigen Geruch. A uch der Brechreiz, als sich seine Eichel ganz hinten gegen ihr Zäpfchen gedrückt hatte und das Gefühl des Vakuums, wenn er sich vor dem nächsten Stoß zurückzog, stellten sich wieder ein. Sie erinnerte sich
Weitere Kostenlose Bücher