Buchanan - 06 - Schattentanz
biblischen Ausmaßes. Jordan war nicht abergläubisch, aber eins schien offensichtlich: Seit ihrer Begegnung mit dem Professor pflasterten Leichen ihren Weg.
Keiner konnte vorhersagen, was als Nächstes passieren würde, aber während Jordan auf Noah wartete, versuchte sie eben dieses zu tun. Es erwies sich allerdings als eine frustrierende Übung, weil ihr keine exakten Informationen zur Verfügung standen und die schrecklichen Bilder der letzten Tage immer wieder vor ihrem inneren Auge auftauchten.
Um klar denken zu können, musste sie erst einmal diese Bilder loswerden. Sie griff nach hinten, nahm eine Mappe mit Forschungsergebnissen des Professors vom Rücksitz und begann zu lesen.
Noah sah, wie sie sich konzentriert über die Papiere beugte. Er hatte ihr gesagt, sie solle im Auto bleiben, weil er nicht wollte, dass sie die verschmorten Überreste von J.D. sah. Sie hatte ihn ganz erstaunt angeschaut und dann leise erwidert: »Warum in Gottes Namen sollte ich den Wunsch haben, eine verbrannte Leiche zu betrachten?«
Ja, warum? Es war ein grauenhafter Anblick. Sowohl Noah als auch Chaddick waren an so etwas gewöhnt, aber Joe hatte Mühe, sich aufrecht zu halten. Sein Gesicht war aschfahl, und er gab würgende Laute von sich.
Noah hatte Mitleid mit ihm. »Joe, es wird dir besser gehen, wenn du ihn einfach nicht ansiehst.«
»Ja, aber das ist wie bei einem Autounfall. Ich will zwar nicht hinsehen, tue es aber trotzdem.«
Chaddick war empört.
»Sie sind Polizist«, erinnerte er ihn. »Also müssen Sie hinsehen.«
»Sie wissen doch, wie ich das meine.«
Einer der Feuerwehrleute winkte sie in den Vorgarten. Sein Name war Miguel Moreno, und er war früher einmal bei der Berufsfeuerwehr in Houston gewesen. Jetzt war er pensioniert und besaß eine Ranch. Er hatte die Freiwilligen ausgebildet, und deshalb waren sie äußerst gut organisiert, schnell und effizient. Da er die Verantwortung trug, war keiner der Feuerwehrleute verletzt worden. Er war schon ein paarmal durch die rauchenden Trümmer gegangen und wollte Noah sagen, wie er die Sache sah.
»Es besteht kein Zweifel, dass J. D. das Feuer gelegt hat, aber ich könnte wetten, dass er mit dem Brandbeschleuniger nicht umgehen konnte, denn sonst hätte er den Brand nicht gelegt, während er noch im Haus war.«
Joe trat zu ihnen.
»Möglicherweise hat er ja das Feuer aus Versehen zu früh angezündet«, sagte er. »Ich denke mir, er ist hineingegangen, hat alles getränkt und wollte dann auf dem gleichen Weg wieder hinaus, wie er hineingekommen ist – durch die Hintertür. Von draußen wollte er dann irgendwas ins Innere werfen, das er angezündet hatte, vielleicht ein in Kerosin getränktes Stück Stoff oder auch nur ein zusammengerolltes Stück Papier.«
Moreno nickte.
»Das ist möglich«, sagte er. »Um das Feuer zu entzünden, brauchte es nur einen Funken.«
»Ja, und vielleicht ist dieser Funke entstanden, als er hinausgegangen ist und seine Stiefel sich an der Metallkante der Tür gerieben haben«, fuhr Joe eifrig fort. »Das hätte doch schon gereicht.«
»Die genaue Ursache kann nur ein Brandexperte feststellen«, erklärte Moreno. »Kommt so jemand nach Serenity, Agent Chaddick?«
»Ja, sicher«, bestätigte Chaddick. »Joe, glauben Sie, Sie werden mit der Situation fertig, wenn Ihnen Moreno hilft? Sperren Sie den gesamten Bereich ab, bis meine Leute da sind. Ich möchte mit Noah zu Dickeys Haus fahren.«
»Ja, klar, das schaffe ich schon«, versicherte Joe ihm. »Hat Agent Street etwas Interessantes gefunden?«
»Das werde ich erfahren, wenn wir dort sind.«
Joe folgte Noah. »Noah, hast du eine Sekunde Zeit für mich?«
Noah drehte sich zu ihm um. »Ja?«
»Meinst du, das FBI will, dass ich mich raushalte, weil sie übernommen haben?«, fragte er leise. »Ich will ihnen ja nicht in die Quere kommen, aber …« Er zuckte mit den Schultern.
Noah wies auf Chaddick. »Wir sollten ihn gleich fragen.«
Verlegen stand Joe daneben, als Noah dem Bundespolizisten die Frage vorlegte. Chaddick war eindeutig der diplomatischere der beiden Agenten.
»Sie haben sicher Geschichten darüber gehört, dass wir die Polizei vor Ort an die Wand drängen, wenn wir übernehmen«, sagte er zu Joe. »Die meisten dieser Geschichten stimmen sicher auch«, fügte er grinsend hinzu. »Wir mögen es nicht so gerne, wenn sich die Einheimischen einmischen. Aber Noah hat mir gesagt, dass die Situation hier eine andere ist. Street und ich werden mit Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher