Bucheckern
erwartet, so viele verschiedene Stoffe.“ Sie zeigte auf den Monitor, der voller senkrechter Linien war.
„Jeder Strich hier steht für ein einzelnes chemisches Element, aber in dieser Erde, da scheint eine ganze Mischung zu stecken.“
„Wie kann ich das erkennen?“ fragte der Kommissar.
Die Chemikerin zeigte auf die Enden von drei benachbarten Linien: „Hier zum Beispiel, verschiedene Schwermetalle oder da, noch Spuren von Lösungsmitteln, mehrere Arten.“
Sie überlegte, griff nach einem dicken Buch, das in der Nähe lag und blätterte mit irritierter Miene darin herum: „Kann doch eigentlich gar nicht sein, so was im Boden ... wo gibt’s denn ein solches Gemisch?“
Der Nadeldrucker auf einem niedrigen Beistelltisch begann mit lautstarkem Sirren zu arbeiten und hörte erst wieder auf, als er eine Papierbahn von gut zwei Metern Länge ausgespuckt hatte.
Karin Häußler riss das Endlospapier ab und vertiefte sich in den Ausdruck.
„Ein echtes Rätsel“, sie drehte sich auf ihrem Bürostuhl zu Lindt, „die einzelnen chemischen Elemente und ihre Mengenanteile haben wir jetzt genau, aber momentan kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie eine solche Mischung zustande kommt. Und schon gar nicht, wieso sich das Zeug erst im Boden und dann in der Schultasche eines Zwölfjährigen befindet.“
„Vielleicht kann ich beim Rätsellösen ja behilflich sein.“ Lindt tippte sich an die Schläfe. „Ich will meine grauen Zellen hier oben gern mal zu intensiver Arbeit ermuntern.“
Er griff instinktiv in die rechte Jackentasche, holte Pfeife und Tabaksdose heraus und begann eine Platte seines Presstabaks zu zerkrümeln. „Ach so, darf man hier überhaupt ...“, fragte er.
Aber statt zu antworten, griff die Chemikerin selbst zu einer bereitliegenden Schachtel mit Light-Zigaretten. „Am Schreibtisch geht’s schon, gefährlich wird es erst bei den Versuchsanordnungen da drüben. Erlaubt ist es natürlich nicht hier drin, aber Sie sind ja schließlich kein Aufsichtsbeamter von der Unfallkasse.“
„Milch-Zucker?“ Sie zeigte auf die volle Kanne in der Kaffeemaschine.
Lindt nahm einen herumstehenden ungepolsterten Hocker und bedankte sich: „Hoffentlich haben sie so viel Milch da, wie ich für meinen Milchkaffee brauche.“
„Das schon, aber ich habe nur eine Tasse – Sie müssten mit diesem Glas da vorlieb nehmen ... ist ganz sauber, frisch aus unserer Spülmaschine, bestimmt ohne Säurereste.“ Sie grinste leicht und zeigte auf ein Labor-glas mit weißen Mengenmarkierungen an der Seite.
„Werde ich schon überleben“, knurrte Lindt, bestellte: „Bitte voll bis 150 Kubik!“ und füllte den Rest mit fettarmer Tütenmilch auf.
„Ich kann mir gar nicht vorstellen ...“, wiederholte sich Karin Häußler mehrfach und musterte abwechselnd den Papierausdruck und die Anzeige auf dem Bildschirm.
„Es ist sogar möglich, dass ursprünglich noch mehr Bestandteile in der Erde waren und dass manche Stoffe – die besonders flüchtigen eben – nach der langen Zeit schon gar nicht mehr nachweisbar sind. Wir müssen wohl auch diese Kunststofftüte noch genau nach Spuren untersuchen ...“
Der Kommissar hatte mittlerweile seine kurze gerade Pfeife in Brand gesetzt und überlegte: „Manchmal ist es ja vielleicht gut, wenn man so ein Problem auch mit den Augen eines Laien sieht. So einer bin ich auf jeden Fall, denn von chemischen Verbindungen und ihren einzelnen Elementen habe ich wirklich nicht mehr viel Ahnung. Gerade das Wort ›Periodensystem‹ ist mir noch im Kopf, aber sonst nur das absolut Gängigste.“
Umnebelt von den Qualmwolken grübelten beide eine Weile gedankenversunken vor sich hin und fingen fast exakt zur selben Zeit wieder an zu sprechen.
Lindt verschluckte die Frage, die er eben stellen wollte und ließ, „bitte, Sie zuerst“ – der Chemikerin den Vortritt: „Die Mischung – das ist mir völlig unerklärlich. Aber vielleicht ist das alles ja nicht gemeinsam und gleichzeitig in die Erde gelangt, sondern nacheinander, in gewissen zeitlichen Abständen.“
„In welcher Form könnten die Stoffe denn da hineingekommen sein?“ wollte der Kommissar wissen. „Flüssig, fest oder gasförmig – das sind doch die drei Möglichkeiten?“
„Diese Frage kann ich ziemlich sicher beantworten: bestimmt in flüssiger Form – aber wieso kommt diese Giftmischung überhaupt in den Boden? Es sind alles Substanzen, die bei irgendwelchen chemischen Untersuchungen oder Prozessen
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