Bucheckern
den Akten: „Sieh mal hier, Bruno, und da und da und auf den nächsten zwanzig Seiten auch ... Fällt dir nichts auf? ... Nein? ... Die jährlichen Kontrollen und die Mengenüberprüfungen, alle von Burgbacher unterschrieben. Die ganzen Jahre schon. Seit die neue Anlage in Betrieb ist.“
„Natürlich, ist ja sein Job. Das wissen wir aber doch schon, seit wir vorhin hier angerufen haben.“
„Nein, ich denke dabei in eine andere Richtung. Die zentrale Frage für mich ist: Wer kontrolliert eigentlich den Kontrolleur?“
„Den kontrolliert keiner, dafür hat er ja schließlich seinen Beamteneid geleistet, wie wir beide auch.“
Als Kunz das gesagt hatte, wurde ihm im selben Moment schlagartig klar, was das bedeutete und worauf Lindt hinauswollte.
„Meinst du etwa, Oskar ...“, er schaute seinen Kollegen entgeistert an.
„Genau das meine ich, aber dafür müssen wir erst noch Beweise finden.“
„Wenn die Mengen natürlich nicht stimmen ... Moment, das muss ich mir doch mal genauer überlegen.“
Bruno Kunz ging vor dem Fenster auf und ab, um seine Gedanken in die richtige Reihenfolge zu bringen.
Lindt brachte es auf den Punkt: „Wenn wesentlich höhere Abwassermengen auf das Fabrikgelände kommen, als die Kläranlage trotz ihrer Überkapazität verkraften kann, dann müssen diese Mengen irgendwie anderweitig entsorgt werden und genau da kommen wir wieder zu unserem eigentlichen Fall.“
Kunz überlegte hin und her: „Es kann natürlich so sein, wie du jetzt vermutest, aber so etwas fliegt früher oder später auf. Jede Firma wird doch genau kontrolliert, ob sie ihren Sondermüll ordnungsgemäß wegbringt.“
„Was wird denn da überwacht?“, gab Lindt zurück, der sich mehr und mehr in seinem Verdacht bestätigt sah.
Er entwickelte seine Theorie weiter: „Angenommen, also nur mal ganz grob überschlagen, die ›Blanco-SAV‹ fährt ihr Material aus einem Umkreis von fünfzig Kilometern herbei. Sie entsorgt mit diesem alten Tankwagen die giftige Brühe von vielleicht hundert oder noch mehr Firmen. Die Preise für das angebliche Recycling durch SAV sind geringer als die Kosten einer herkömmlichen Sondermüll-Entsorgung und schon sind alle hoch zufrieden.“
„Soweit kann ich dir folgen, aber die Betriebe müssen ihre Mengen doch nachweisen. Die kaufen ja auch das Rohmaterial für die Galvanikbäder ein und auf dieser Grundlage lässt sich dann sicherlich zurückrechnen.“
„Natürlich, und die ›Blanco-SAV‹ schreibt selbstverständlich Rechungen, auf denen die Entsorgungsmengen exakt aufgeführt sind. Genau das wird bei jeder einzelnen Firma von den zuständigen Stellen geprüft.“
„Dann verstehe ich aber nicht recht, worauf du hinauswillst, Oskar“, sagte Bruno Kunz. „Wenn das überall ausreichend kontrolliert wird, dann lässt sich doch da kein krummes Ding drehen.“
„Moment noch, ich bin gleich soweit. Überleg doch mal, da haben wir jetzt im Radius unseres Lastwagens schon mal mindestens sechs verschiedene Landkreise in Baden-Württemberg und einige in der Pfalz. Heidelberg, Mannheim, Pforzheim, Karlsruhe und Baden-Baden als Stadtkreise kommen noch dazu. Diese Daten führt doch kein Mensch zusammen. Da gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit keine Kontrollmitteilungen. Die einzige Stelle, wo überprüft wird, ob die Kapazität der Werkskläranlage für die eigenen und die angelieferten Mengen ausreicht, ist hier, genau in diesem Amt, wo wir uns jetzt befinden.“
Lindt holte tief Atem und fuhr dann fort: „Dass niemand den Kontrolleur überwacht, so weit waren wir vorhin bereits. Dass aber genau derselbe städtische Beamte, der schon vor zwanzig Jahren im Verdacht stand, von ›Blanco‹ kräftig geschmiert worden zu sein, sich in ein anderes Amt versetzen lässt und nun eben diese Firma überwacht, das passt doch alles bestens zusammen.“
Bruno Kunz konnte sich Lindt’s Logik nicht entziehen und nickte verhalten zustimmend: „Was vor zwanzig Jahren war, das ist ja nie untersucht und erst recht nicht bewiesen worden. Aber es könnte natürlich so sein, wie du meinst, Oskar. Wenn das stimmt, dann ist das System gut durchdacht.“
Lindt gab ihm recht: „Das System ist nicht nur gut, es ist schlicht genial. Es kam ihnen wohl nur der kleine Patrick in die Quere. Der musste dann halt aus dem Weg geräumt werden.“
Er machte eine kurze Pause und fuhr dann mit allem Nachdruck fort: „Und jetzt funken wir ihnen dazwischen – und zwar ganz gewaltig!“ Er haute mit der
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