Buddha-Boy
Lesen und Schreiben geworden?« Aber ich war schon halb über die StraÃe.
Notiz an mich: Es ist schwer, einen Zustand des Nicht-Denkens zu erreichen, wenn einen Tee und Zucker unheimlich aufputschen und man alle dreieinhalb Minuten Wasser lassen muss. Aber der Zen-Garten war doch irgendwie faszinierend. Als meine Mutter nach Hause kam, musste sie feststellen, dass ich mit vier aneinandergeklebten, spitzen Bleistiften Muster in den Sand rechte. Und dass ich in der Küche und im Wohnzimmer kleine Kreise zog. Und hin und wieder schnurstracks zu den sanitären Einrichtungen lief. Als ich ihr mein Garten-Meisterstück zeigte, sah sie mich an und lachte. »Das sieht dir aber gar nicht ähnlich, San, selbst die Initiative zu ergreifen! Ich glaube, ich habe noch nie erlebt, dass du dich so auf die Schulaufgaben stürzt. Ich will mich nicht beschweren, nur ⦠wieso auf einmal diese Veränderung?« Sie legte den Kopf schief. »Hat es was mit einem Mädchen zu tun?«
Ich schritt das Zimmer ab und schnaufte, schnaufte und schritt das Zimmer ab. »Ja, genau. Ein Mädchen! Als ob sich Mädchen wie verrückt auf mickrige Neue stürzen würden, die gern mit Sand spielen! Als ob ich als einziger Angehöriger einer Minderheit in WeiÃheim der unwiderstehliche Superhengst wäre! Als ob â«
»Ach, San! Ich hab mich doch nur gewundert«, sagte sie und ging aus dem Zimmer, um sich umzuziehen. Sie hasste ihre Arbeitsklamotten, vor allem die klobigen Schwesternschuhe mit den dicken Gummisohlen. »Egal, was dich motiviert, mach weiter so, okay?«
Was hatten sie nur alle mit ihrem âºMach weiter soâ¹? War es das Motto von Harrisonville? Ich konnte aber nicht allzu lange darüber nachdenken, denn wir mussten in die Bibliothek. Als ich den Deckel auf meinen Garten legen wollte, stieà ich einen peinlich schrillen Schrei aus. Im Deckel hing kopfüber eine Spinne â eine braune, haarige Spinne. Vor lauter Panik schlug ich mit dem Deckel auf den Garten. Die Spinne konnte jeden Moment herausklettern und mich in die Hand beiÃen. Igitt!
Meine Mutter kam angelaufen, aber als sie den Grund meines Entsetzens sah, blieb sie stehen und seufzte. »Ach, Sanny, das ist doch nur eine kleine Hausspinne. Die sind freundlich. Die essen böse Käfer.«
Super. Die Tatsache, dass es sich hier um furchtbar gemeine Fleischfresser handelte, war unheimlich tröstlich. »Kannst du sie töten, Mom?«
Inzwischen war die Spinne auf den Boden der Schachtel gefallen. Jetzt hatte ich einen Spinnenphobie-Garten. Was ganz Besonderes!
Mom schob mich zur Seite, jagte die Spinne auf den zweitgröÃten Kiesel und trug den Stein samt Spinne aus der Wohnung, die Treppe hinunter und raus auf den spärlichen Rasen vorm Haus. Ich sah mit angeekeltem Staunen zu, wie sie die Spinne vorsichtig vom Stein ins Gras wischte. Dann ging ich ins Bad und pinkelte, während meine Mutter die Treppe wieder hochkam. Als ich am Tisch erschien, hatte sie den von Spinnen verseuchten Stein schon zurück in meinen Garten gelegt.
Bäh!
Nach einigem Flehen meinerseits nahm sie den Stein wieder aus dem Garten und lieà ihn neben dem Gehsteig auf dem Weg zur Bücherei liegen. Bis dorthin plauderte sie ununterbrochen darüber, wie wunderbar Spinnen sind, wie ökologisch wichtig, ein biologisches Wunder, bla, bla, bla. Kobras sind auch Schädlinge fressende biologische Wunder, aber laufe ich deshalb durch die Wohnung und verteile die Dinger?
Ich lieà meine Mutter zum Informationstresen der Bibliothek marschieren und drückte auf den Klingelknopf. Ich hatte es eilig und mir waren zwei Dinge bewusst: Ich wollte eine Menge lesen, und ich wollte nicht mit meiner weiÃen Mutter an einem öffentlichen Ort gesehen werden â was mein überasiatisches Ich völlig über den Haufen geworfen hätte, vor allem wenn jemand sie nach meinem Leben ausgefragt hätte. Es raschelte in dem kleinen Hinterzimmer und einen Moment lang gestattete ich mir die Hoffnung, dass die reizende Amanda in Kürze auftauchen würde. Stattdessen kam Mildred heraus. Sie trug einen rosa Pullover mit Schleifen über einem dunkelgrünen Rock und grünen Leggings, worin sie wie ein Grashüpfer aussah, der auf eine Party gehen will. Sie freute sich, mich zu sehen. »Ah, San Lee! Ich hatte gehofft, dass du heute noch vorbeikommst. Zwei andere Jugendliche aus deiner Schule
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