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Buddha-Boy

Buddha-Boy

Titel: Buddha-Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Sonnenblick
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nur, dass Experten sich selbst schaden, indem sie zu viel denken. Die Leute, die eine Zen-Kunst erlernen, üben die nötigen Schritte immer und immer wieder, bis sie diese, ohne nachdenken zu müssen, beherrschen. Wenn die Handlungen völlig instinktiv erfolgen, ist der Schüler zu einem Meister geworden. Anfängergeist bezieht sich auch darauf, dass vorgefasste Meinungen beseitigt werden und alles so betrachtet wird, als würde man es zum ersten Mal sehen.« Ich bückte mich, klaubte eine Handvoll Schnee auf und fragte: »Wie oft hast du schon Schnee gesehen? Du sagst vielleicht: ›Ach, Schnee. Was soll’s.‹ Anstatt darüber nachzudenken, was für ein Wunder das ist. So war ich auch einmal. Aber dann habe ich den letzten Winter in Texas verbracht, wo es keinen Schnee gibt.« Ich legte mir ein paar Flocken auf die Unterlippe, streckte die Zunge raus und leckte sie ab. »Wir haben sogar vergessen, dass Schnee gut schmeckt.« Woody fuhr mit dem Zeigefinger zart über den Schnee in meiner Hand. Es kitzelte. Sie steckte den Finger in den Mund und grinste.
    Â»Du hast Recht, San, schmeckt wirklich gut!« Jetzt bückte sie sich und nahm sich zwei Hände voll. »Und da ist noch was. Schau dir den Schnee in meinen Händen an. Komm her, ganz, ganz nah! Näher … näher …«
    Unsere Körper waren höchstens dreißig Zentimeter voneinander entfernt und mein Gesicht war so nah an ihren Händen, dass ich die Kälte spürte, die vom Schnee zu meiner Nasenspitze strömte. Ich versuchte, mich auf eine einzelne Flocke zu konzentrieren. Auch Woodys Augen blickten gespannt auf den Schnee in ihren Händen. Dann schaute sie auf und sah mir eine gefühlte Minute lang fest in die Augen, während elektromagnetische Wellen durch meinen Körper zischten. Würde mich Woody küssen? Hier an dieser Stelle, wo ich sie vor drei Tagen, frühmorgens um halb acht, zwanzig Schritte von der Bushaltestelle entfernt, getroffen hatte?
    Ihre Augenwinkel zerknitterten vor Freude und sie kam noch näher.
    Dann PUSTETE sie auf den Schnee und eine Schneewolke flog in mein Gesicht. Sie lachte, als ich mir die Augen mit dem kratzigen Plastikärmel meiner Windjacke wischte. Dann lachte ich auch. Ich grapschte nach einer Handvoll Schnee und warf ihn nach ihr. Sie duckte sich, aber ich erwischte ihre Haare. Sie machte einen Schneeball und schmiss ihn mir auf den Rücken.
    Am Ende hatten wir eine ziemlich heftige Mini-Schneeballschlacht. Dann klingelte es. Wir sahen uns um und stellten fest, dass alle außer uns im Schulgebäude waren. Sie warf mir einen Auweia-Blick zu, wir packten unsere Büchertaschen und sie ihre Gitarre. Wir konnten nicht aufhören zu kichern, bis wir im Haus waren. Die Sekretärin, die uns abfing, fragte, warum wir zu spät kämen, und Woody sagte: »Lawine.« Wir verließen gemeinsam das Büro und lachten bis zu unseren Schließfächern.
    Woodys Klassenzimmer befand sich am Ende des Flurs. Meins auch, also brachte ich sie hin. Clever, was? Ich hatte soeben ein Mädchen bis zu seiner Tür begleitet! Wir verabschiedeten uns ungefähr dreißig Sekunden lang mit Ȁh, bis später!« und Ȁhm, okay«, bis ihr Lehrer die Sache mit einem »Miss Long, können wir heute noch mit Ihrer Anwesenheit rechnen?« beendete.
    Hoch erhobenen Hauptes stolzierte ich den Flur entlang. Ich betrat summend den Raum für die Englischstunde, wo die Lehrerin gerade Kopien eines Taschenbuchs mit laminiertem Einband verteilte. Es hieß Das Buch vom Tao und von Pu dem Bären . Oh, Mann! Es war ein Buch über asiatische Philosophie. Anscheinend würden wir etwas durchnehmen, woran die Englischlehrerin und der Sozialkundelehrer gemeinsam gearbeitet hatten. Wissen die denn nicht, dass Schüler so etwas hassen? Es ist unheimlich, sich vorzustellen, dass Lehrer sich miteinander verbünden. Außerdem würde dies den Zen-Druck enorm verstärken. Ich würde noch eine Klasse und noch einen Lehrer austricksen müssen.
    Also echt!
    Der Tag wurde immer seltsamer. In der Sportstunde spielten wir Basketball. Ich war allein und warf Bälle in einen Ring in der Ecke, der nicht einmal ein Netz hatte. Alle anderen spielten entweder drei gegen drei oder sahen einem Match zwischen drei Superstars und drei Sportlehrern zu. Die Lehrer machten die Sportskanonen fertig. Nicht, dass mich das interessiert

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