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Buddha-Boy

Buddha-Boy

Titel: Buddha-Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Sonnenblick
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draußen völlig allein war. Ich hätte das Ganze auf den Boden werfen und darauf herumtrampeln können, bis es wie das blutrünstigste Kunstprojekt der Welt aussähe. Oder ich hätte es einfach nur liegen lassen, zurücklaufen und behaupten können, ich hätte die Sache erledigt.
    Tatsächlich und zugegebenermaßen ließ ich das Päckchen fallen und trat ein paar Schritte zurück. Dann fiel mir ein, dass ich ja vor allem Lebenden Ehrfurcht haben sollte. Woody glaubte schließlich wirklich daran. Da konnte ich doch nicht einfach weglaufen und das arme kleine Ding in seinem Papierknast sterben lassen.
    Also näherte ich mich wieder dem Päckchen, versuchte, es mit einem Fuß anzustupsen und dabei zu öffnen. Das ging natürlich gar nicht. Die einzige Möglichkeit, meinen giftigen kleinen Amigo zu befreien, war mit den Händen. »Blöde, verflixte Ehrfurcht vor allem Lebenden«, murmelte ich. Ich bückte mich und griff mit zitternden Fingern nach dem Papier.

Hast
du Zen?
    In der achten Klasse kam der Frühling zeitig. Jedenfalls behauptete das jeder. In Texas hatte es gar keine richtigen Jahreszeiten gegeben, und so war das eine neue Erfahrung für mich. Die Bäume bekamen wieder Blätter, die Blumen blühten, plötzlich gab es Vögel in Hülle und Fülle. Und ich stellte fest, dass ich noch mehr als sonst an Woody dachte. Die Lehrer erzählen einem überall von Frühlingsgefühlen – aber ich hatte mich immer für immun gehalten und geglaubt, dass ich meinen Lehrern das ganze Jahr über nur leicht auf die Nerven ging. Anscheinend hatte ich mich getäuscht. Es mag wie eine kitschige Schnulze klingen, aber jedes Vogelgezwitscher erinnerte mich an Woodys Stimme, jede Blume verströmte den Blütenduft ihrer Haare, jedes zirpende Insekt gab mir das Gefühl …
    Okay, okay. Ich gebe zu, dass jedes zirpende Insekt immer noch den Wunsch in mir weckte, auf den Schoß meiner Mutter zu klettern und zu heulen. Aber der Rest des Frühlingskrams stimmte. Woody hatte mich wirklich verändert. Weil sie an mich glaubte, hatte ich mich einer schrecklichen Angst aus der Kindheit gestellt. Weil sie an mich glaubte, war sie ein gewaltiges Risiko eingegangen und hatte ihrer Mutter die DVD geschickt. Zum ersten Mal kapierte ich, dass Glauben ansteckend ist. Und Woody und mich hatte es so stark erwischt, dass wir Leute damit infizierten, wohin wir auch gingen. Außer Peter, der dagegen gefeit zu sein schien.
    Aber der Rest der Schule litt an einem schweren Befall von Glaubenitis. Am schlimmsten waren die Mitglieder des B-Teams erkrankt. Sie befanden sich in der Endphase des Zen-Fiebers, was sie so heftig gepackt hatte, dass sie etwas Irres taten. Sie forderten das A-Team zu einem Match heraus – ein Spiel, das sie gewinnen wollten. Es war, als hätte ich einen Schneeball ins Rollen gebracht, der einen Hügel hinabkullerte, immer größer wurde und mir dabei aus den Händen glitt, während er sich auf eine gewaltige Klippe zuwälzte.
    Natürlich hatte mir niemand davon erzählt. Wären die Leute zu mir gekommen und hätten gesagt, dass sie das A-Team schlagen wollten, dann hätte ich geantwortet, sie hätten keine Chance und dass es schließlich Gründe gab, weshalb sie im B-Team spielten. Okay, vielleicht hätte ich ihnen nicht sagen können, dass meine Zen-Lehren nur ein Haufen Unfug waren. Aber ich hätte immerhin versuchen können, ihnen das Himmelfahrtskommando auszureden.
    Nur erfuhr ich von dem Ganzen erst, als ich eines Tages mit Woody die Schule betrat und vor dem Treppenaufgang ein Yin-Yang-Poster sah. Es war schwarz-weiß auf leuchtend rotem Hintergrund, ohne Beschriftung. Ich sagte zu Woody: »Hey, schau dir das an! Was meinst du, wofür das ist?«
    Sie blickte zur Seite. »Ich weiß nicht, vielleicht für einen Club?«
    Â»Moment mal! Du weißt, worum es geht, ja?«
    Â»Vielleicht.« Sie gab sich viel Mühe, nicht zu lächeln. Klappte aber nicht.
    Â»Los, sag’s mir! Wofür ist das?«
    Â»Das wirst du schon sehen, San. Wie wär’s, wenn du inzwischen deine berühmte Entrückung und Zen-Geduld walten lässt?«
    Â»Aber … aber …«
    Â»Du wirst es sehen, San. Ich versprech es dir.« Damit schlüpfte sie in ihr Klassenzimmer.
    An den Wänden im Flur zwischen Woodys Tür und meiner hingen noch drei

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