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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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geballert haben: Banditen, Mörder – man glaubt nicht, was es für Abschaum gibt. Deshalb muß man auch von Zeit zu Zeit nach dem Rechten sehen. Manchmal komme ich mir hier vor wie ein Waldhüter.«
    Der Baron seufzte.
    »Obwohl, wenn ich mich recht entsinne«, fuhr er mit leiser Melancholie in der Stimme fort, »wollte ich als Kind ja Förster werden … Kommen Sie, Pjotr, fassen Sie mich ruhig am Ärmel. Man kommt hier sonst nicht so leicht vom Fleck.«
    »Das verstehe ich nicht ganz. Aber wenn Sie meinen«, sagte ich voller Erleichterung.
    Ich krallte meine Hand in den Stoff seines Ärmels, und wir gingen los. Sehr bald fiel mir auf, was das Merkwürdige war: Der Baron lief nicht sonderlich schnell, jedenfalls nicht schneller als vor jenem skurrilen Weltumschwung, die Lagerfeuer aber schienen geradezu an uns vorbeizurasen. Es war, als schritten wir auf einer Plattform, die ihrerseits von einer unsichtbaren, mit höllischem Tempo fahrenden Lokomotive gezogen wurde, und der Baron bestimmte jeweils mit einer Drehung seines Körpers in welche Richtung der Zug fuhr. Kaum war das nächste Feuer pünktchengroß vor uns aufgetaucht, kam es auch schon herangeschossen und stoppte vor unseren Füßen, sowie der Baron stehenblieb.
    An dem Feuer saßen zwei Männer. Wie alte Römer sahen sie aus: halbnackt, nur mit kurzen, um die Hüften geschlungenen Laken bekleidet, und naß. Beide waren bewaffnet – der eine mit einem kurzen Revolver, der andere mit einer doppelläufigen Flinte. Ihre Körper waren über und über mit gräßlichen, schartigen kleinen Einschußlöchern bedeckt. Als sie des Barons an sichtig wurden, fielen sie einfach um – ein Grauen schüttelte sie, das sich einem fast körperlich mitteilte.
    »Wer seid ihr?« fragte der Baron mit tiefer Stimme.
    »Aus der Truppe von Serjosha Mongoli«, sagte der eine, ohne sich zu erheben.
    »Was habt ihr hier zu suchen?«
    »Aus Versehen umgelegt, Kommandeur.«
    »Ich bin nicht euer Kommandeur«, sagte der Baron. »Und aus Versehen wird niemand umgelegt.«
    »Doch, echt aus Versehen«, sagte der andere mit kläglicher Stimme. »In der Sauna. Die dachten, daß Mongoli dort den Vertrag unterschreibt.«
    »Welchen Vertrag denn?« fragte Jungern befremdet.
    »Wir hatten einen Kredit offen. Die ›Slav-East Oil‹ hat die Knete als Pfandbrief hinterlegt, und die Frachtpapiere sind aufgeflogen. Deswegen sind zwei Guardies von ›Ultima Thule‹ gekommen und …«
    »Pfandbrief und Ultima Thule. Alles klar«, schnitt der Baron ihm das Wort ab.
    Er bückte sich und blies ins Feuer, worauf dieses sich sofort um ein mehrfaches verkleinerte – aus der lohenden Fackel wurde ein zentimetergroßes Flämmchen. Bei den zwei Männern, die davorlagen, trat eine verblüffende Wirkung ein: Sie erstarrten wie zu Eis; augenblicklich bildete sich Rauhreif auf ihren nackten Rücken.
    »Tolle Kämpen, nicht wahr?« sagte der Baron. »Unglaublich was sich in meinem Walhall in letzter Zeit ansammelt. Serjosha Mongoli. Und alles wegen dieser idiotischen Schwertregel: Wer mit einer Waffe in der Hand stirbt, muß aufgenommen werden.«
    »Was ist jetzt mit denen?« fragte ich.
    »Die kriegen, was ihnen zusteht«, sagte der Baron. »Ich weiß nicht. Wir können nachsehen.«
    Er blies noch einmal in das kaum mehr sichtbare fahlblaue Flämmchen, so daß die Flamme kurz zur alten Größe heranwuchs. Konzentriert, mit zusammengekniffenen Augen schaute der Baron ein paar Sekunden hinein.
    »Sieht so aus, als stünde ihnen ein Leben als Zuchtbullen im Fleischkombinat bevor. Solche Gnadenfälle geschehen jetzt öfters. Das liegt an der unendlichen Barmherzigkeit des Großen Buddha, und außerdem ist in Rußland das Fleisch immerzu knapp.«
    Erst jetzt fiel mir ein, das Feuer eingehender zu betrachten; ich war fasziniert. Mit einem Lagerfeuer der üblichen Art hatte es wenig zu tun. Kein Holz, kein Reisig war darin zu entdecken – die Flammen kamen aus einer Öffnung in der Erde, deren ausgeglühte Ränder einen Stern mit fünf gleichmäßig schlanken Zacken bildeten.
    »Sagen Sie, Baron, wieso brennt das Feuer über einem Pentagramm?«
    »Welche Frage! Das ist das ewige Feuer der Barmherzigkeit Buddhas. Und was Sie Pentagramm nennen, ist das Emblem des Oktoberstern-Ordens. Wo sollte das ewige Feuer der Barmherzigkeit brennen, wenn nicht über diesem Emblem?«
    »Was ist das für ein Orden?« fragte ich mit einem verstohlenen Blick auf Jungerns Brust. »Der Name ist mir zu verschiedensten Gelegenheiten

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