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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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schoß er.
    Das Tintenfaß verwandelte sich in eine tiefblau sprudelnde Wolke mit blitzenden Splittern darin, die kurz in der Luft hing und dann auf den Tisch herabregnete.
    Ich taumelte und mußte mich an der Wand abstützen, so schwindlig war mir mit einemmal. Vor mir der Tisch, darauf ausgebreitet die nunmehr hoffnungslos verdorbene Karte. Kotowski stand mit offenem Mund daneben. Vom Tisch auf den Fußboden tropfte das aus der geplatzten Lampe auslaufende Glyzerin.
    »Was ist, Grigori: Haben wir den Geist jetzt durchschaut?« fragte Tschapajew und spielte mit der noch rauchenden Mauserpistole.
    Kotowski, beide Hände vor das Gesicht geschlagen, rannte aus dem Zimmer. Er war sichtlich mitgenommen. Was man wohl auch von mir sagen konnte.
    Tschapajew wandte sich zu mir um und schaute mich eine Zeitlang forschend an. Dann verzog er heftig das Gesicht.
    »Hauch mich an!«
    Ich gehorchte.
    »So ist das also. Ehe man sich versieht, gießt er sich einen auf die Lampe. Und was soll die gelbe Mütze? Wieso hast du eine gelbe Mütze auf? Willst du Hundesohn, daß ich dich vors Tribunal zerre?«
    »Ich hab nur ein einziges Glas.«
    »Halt den Mund! Mund halten, sag ich! Das Weberregiment ist eingetroffen, die Leute müssen versorgt werden, willst du so besoffen vor die hintreten? Was soll Furmanow für einen Eindruck kriegen? Geh und penn dich aus! Kommt das noch ein einziges Mal vor, stehst du bei mir vorm Tribunal. Möchtest du wissen, wie bei mir das Tribunal aussieht, ja?«
    »Nein, Wassili Iwanowitsch«, sagte ich, »das möchte ich nicht.«
    »Zum Schlafen abtreten! Und daß du mir bloß keinen anbläst auf dem Weg in die Koje.«
    Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür. Als ich sie erreicht hatte, drehte ich mich noch einmal um. Tschapajew saß am Tisch und schaute mir finster nach.
    »Eine Frage hätte ich noch«, sagte ich.
    »Nämlich?«
    »Die Sache ist … Der einzig real existierende Zeitpunkt ist das Jetzt, das weiß ich nicht erst seit gestern. Unbegreiflich ist mir nur, wie sich darin eine so ellenlange Abfolge von Wahrnehmungen unterbringen läßt. Heißt das, man kann den Moment, wenn man strikt darin verweilt und weder in die Vergangenheit noch in die Zukunft abgleitet, in einem Maße ausdehnen, daß Phänomene, wie ich sie eben erlebt habe, darin Platz finden?«
    »Ausdehnen? Wohin denn ausdehnen?«
    »Ich habe mich unkorrekt ausgedrückt. Ich meine, dieser Moment, als Scheide zwischen Vergangenheit und Zukunft, könnte der sozusagen das Tor zur Ewigkeit sein?«
    Tschapajews Hand am Pistolenlauf zuckte, und ich war lieber still. Mich traf ein langer, argwöhnisch zu nennender Blick.
    »Dieser Moment, Petka, ist die Ewigkeit und nicht ihr Tor«, sagte er dann. »So daß man schwerlich behaupten kann, er würde irgendwann eintreten. Und wenn du erst einmal zu dir gekommen bist …«
    »Niemals«, erwiderte ich.
    Tschapajews Augen wurden groß vor Verwunderung.
    »Guck an, der Petka«, sagte er. »Hat er's endlich geschnallt?«
     
    Wieder in meinem Zimmer, begann ich zu überlegen, womit ich mich ablenken konnte, um zur Ruhe zu kommen. Tschapajews Ratschlag fiel mir ein, die eigenen Träume zu Papier zu bringen, und so versuchte ich mir meinen Japantraum von neulich zu vergegenwärtigen. Soviel Verworrenes und Unbegreifliches darin war, entsann ich mich doch bis ins kleinste. Begonnen hatte er damit, daß in einer seltsamen Art Untergrundbahn die nächste Station ausgerufen wurde. Den Namen wußte ich noch und konnte mir sogar denken, wo er herrührte: Sehr wahrscheinlich hatte ihn mein Bewußtsein, den schwierigen Gesetzen der Traumwelt unterworfen, einen kurzen Moment vor dem Erwachen aus dem Namen eines Pferdes bezogen, das von irgendeinem Soldaten unter meinem Fenster gerufen worden war, und dieser Ruf war sogleich in einen doppelten Spiegel geraten, denn außer der U-Bahn-Station hieß auch die Fußballmannschaft so, von der in dem Gespräch ganz zu Ende des Traums die Rede war. Das hieß, der Traum, so lang und ausführlich er einem erschienen war, hatte nicht länger als eine Sekunde gedauert; jetzt, nach meiner Begegnung mit dem Baron Jungern und dem letzten Gespräch mit Tschapajew, wunderte mich das nicht mehr. Ich setzte mich an den Tisch, rückte mir einen Stapel Papier zurecht, tauchte die Feder ins Tintenfaß und schrieb auf die obere Hälfte des ersten Blattes mit Großbuchstaben:
     
    »ZURÜCKBLEIBEN BITTE!
TÜREN SCHLIESSEN SELBSTTÄTIG.
NÄCHSTE STATION: DYNAMO!«
     
    Ich

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