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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Stromstoß getroffen, zurück, stolperte über die unterste Treppenstufe und fiel auf den Rücken; es muß unglaublich blöd ausgesehen haben. Anna indes lachte nicht, im Gegenteil – Bestürzung spiegelte sich in ihrem Gesicht.
    »Hat es den Kopf getroffen?« fragte sie, besorgt über mich gebeugt, und reichte mir die Hand. Ich griff danach und erhob mich.
    »Nein«, sagte ich. »Danke.«
    Sie zog, als ich stand, ihre Hand nicht gleich zurück, und nach einer kleinen Pause der Verlegenheit sagte ich, für mich selbst überraschend:
    »Daß ich nicht so bin, wie ich Ihnen erscheine, wissen Sie hoffentlich? Sie, nur Sie, Anna, machen mich zum komischsten Geschöpf auf Erden!«
    »Ich? Wie denn das?«
    »Ja, sehen Sie denn nicht … Gott mag Sie gesandt haben, mich zu strafen. Oder der Satan. Bevor ich Ihnen zum erstenmal begegnete, hatte ich keine Ahnung, wie häßlich ich bin! Ich meine, gemessen an dem erhabenen, unerreichbaren Ideal von Schönheit, das sich in Ihrer Person verkörpert. Sie waren gewissermaßen der Spiegel, worin ich plötzlich sah, welch unüberbrückbarer Abgrund mich trennt von allem, was mir auf dieser Welt lieb und teuer ist, was nur irgendwie Sinn und Bedeutung für mich hat. Und nur Sie, hören Sie, Anna, nur Sie allein können wieder Licht und Luft in mein Leben bringen, etwas, das es dort nicht mehr gibt, seit ich Sie in jener Eisenbahn zum erstenmal sah. Sie allein können mich erlösen.«
    All dies stieß ich in einem Atemzug hervor.
    Es war natürlich eine Lüge. Seit Annas Eintritt in mein Leben gab es dort so wenig Licht und Luft wie zuvor, also keine Änderung zu beklagen. Doch in dem Moment, da ich die Worte aussprach, schienen sie mir die reinste Wahrheit zu sein. Anna hörte mich schweigend an, eine Mischung aus Unglauben und Argwohn im Gesicht – derartiges schien sie von mir am allerwenigsten erwartet zu haben.
    »Wie um alles in der Welt soll ich Sie denn erlösen?« fragte sie und zog die Brauen zusammen. »Wenn ich das wüßte, täte ich es mit dem größten Vergnügen, glauben Sie mir.«
    Während ihre Hand immer noch in meiner lag, schien eine heiße Woge törichter Zuversicht meinen Brustkorb zu fluten.
    »Ich habe eine Idee, Anna«, beeilte ich mich zu sagen, »Sie mögen es doch, mit der Kutsche auszufahren, nicht wahr? Kotowskis Traber sind mir zugefallen. Hier auf dem Gut ist es blöd – lassen Sie uns einfach heute bei Einbruch der Dunkelheit eine Landpartie machen!«
    »Wie?« fragte sie. »Wozu?«
    »Was heißt wozu? Ich dachte …«
    Ihr Gesicht nahm einen verdrossenen, gelangweilten Ausdruck an.
    »Mein Gott«, sagte sie und entzog mir ihre Hand, »ist das geschmacklos! Dann lieber den Zwiebelgestank vom letztenmal.«
    Sie ging an mir vorbei, eilte die Treppe hinauf und betrat, ohne anzuklopfen, Tschapajews Arbeitszimmer. Eine Weile rührte ich mich nicht vom Fleck; erst als ich meine Gesichtsmuskeln wieder unter Kontrolle hatte, lief ich hinaus auf den Hof. Furmanow mußte ich nicht lange suchen; er war in der Stabsbaracke, wo er sich offenbar eingerichtet hatte. Auf dem Tisch, gleich neben dem großen Tintenfleck, stand nun ein Samowar – mit einem albernen Operettenstiefel auf dem Rohr, der den Leuten anscheinend als Blasebalg für die Glut unter dem Kessel diente. Daneben lag ein gesalzener Hering auf irgendwelchen Lappen. Nachdem ich Furmanow mitgeteilt hatte, daß ich auf der Abendveranstaltung mit revolutionären Versen aufzutreten gedachte, ließ ich ihn weiter in Gesellschaft zweier Weber seinen Tee trinken (daß die Wodkaflasche unter dem Tisch stand, war mir klar), trat durch das Hoftor und lief langsam zum Wald hinauf.
    Seltsam: Das letzte Gespräch mit Anna bewegte mich wenig. Es reute mich nicht einmal sonderlich. Zwar mußte ich einsehen, daß diese Frau mir ein um das andere Mal die Möglichkeit zur Versöhnung vorzugaukeln schien, um mich dann regelmäßig, wenn ich nach dem Lockvogel griff, in denkbar dämlicher Pose stehenzulassen – doch auch ein solcher Gedanke verflog wie von selbst.
    Ich lief ein Stück die Chaussee entlang, einfach so vor mich hin, und schaute ziellos in die Gegend. Das Pflaster endete bald; nach wenigen Schritten bog ich ab, kletterte die Böschung hinunter, ließ mich an einem Baum nieder und blieb, mit dem Rücken gegen den Stamm gelehnt, längere Zeit so sitzen.
    Einen gefalteten Bogen Papier auf dem Knie, schrieb ich das Gedicht für den Wettstreit der Weber, was recht flott von der Hand ging. Es wurde, wie

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