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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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plante eine Vogesenwanderung mit seinen Freunden, und Georg war auch eingeladen.
    Ich gehe mit, ja, es wird mir guttun, sagte er am Frühstückstisch, und sogar Vater Jaeglé war heute noch da, stimmte ihm zu.
    Das wird Sie auf andere Gedanken bringen. Tragen Sie nicht fortwährend dieses bedenkliche Gesicht. Die Natur wartet auf euch!
    So lange wollt ihr unterwegs sein?, fragte Minna tonlos. Und dann bis nach St.-Dié! Alle Achtung, Messieurs.
    Ja, Edouard will seinen Schüler, Pfarrer Rauscher, besuchen.
    Ach, der Friedrich! Minna seufzte und lachte zugleich. Sagen Sie ihm herzliche Grüße von mir. Ja, er war damals Reuss’ erster Schüler in seinem Seminar. Ein braver Junge, immer auf dem besten Weg zum Pfarrer.
    Georg hörte den Spott in ihrem Ton, vermied einen Blick zu ihr.
    Jaeglé sagte: Aber ja, fragen Sie Rauscher ruhig aus, über seinen Großvater Oberlin, darüber, was er in der Familie erzählte über seinen wunderlichen Gast von anno 78. Der arme Lenz.
    Georg versicherte, dies zu tun, während Minna dachte, alle sagen: der »arme« Lenz. Und jetzt geht Georgviele Tage fort. Wenn er wiederkäme, blieb nur noch ein Monat. Die Zeit wurde kurz.
    Kannten Sie Rauscher gut, Mademoiselle?, traute sich Georg zu fragen.
    Ach was, lachte Minna und schmierte die Butter dick auf ihr Brot. Wir wohnten in Barr Tür an Tür, sein Vater unterrichtete mich, seine Mutter brachte mir bei, Kinder zu hüten, wir lernten miteinander. Aber nein, er hat mein Lernen nicht ernst genommen.
    Du bist zu streng, mein Kind, sagte Jaeglé.
    Minna zuckte mit der Schulter. Es war ihr gleich, alles war so lang her. Den Teller mit dem Brot schob sie beiseite, es ekelte sie auf einmal vor dem üppigen Fett. Georg ging nach Gießen, das war jetzt. Und doch war der Schmerz von damals, als Friedrich nach Straßburg ins Gymnasium gehen musste, so sehr verwandt mit dem in diesen Tagen. Sie dachte als Mädchen, Friedrich käme nicht zurück und vergäße sie. Dabei hatte sie dann ihn vergessen. Gehen Entfernung und Vergessen zusammen und lassen die Zuneigung absterben?
    Sie wollte keinen schnellen Abschied von Georg, und so kam es auch. Stückchenweise, Gott sei Dank, so ist es mir recht, dachte sie bei sich. Nach der Wanderung fuhr Georg noch für einige Zeit zu Reussens hinaus auf den Neuhof.
    In Straßburg abgemeldet war Georg bereits seit dem 24. Juni.

Herbst 1833 bis Frühjahr 1834
    Die Zeit der Briefe. Eugène Boeckel erhielt Georgs Kuverts an Minna wieder als einliegende Sendungen, brachte sie in die Rue St.-Guillaume, oft erst zwei, drei Tage später. Sofern Minna nicht selbst die Tür öffnete und er ihr die Kuverts gleich zustecken konnte, ließ er sich unter gefälliger Plauderei – bin gerade im Vorübergehen – so dachte ich en passant – und Grüße an den werten Papa Jaeglé – in die Stube oder die Küche zu Minna bringen. Der Moment seines Erscheinens, schon seine Stimme im Flur ließ Minna zusammenfahren, ihr Herz kurz und heftig schlagen. Sie hasste Eugènes fahrlässige Sorglosigkeit bei der Übergabe, schob er einmal doch das Kuvert unter die Schalwaage auf der Anrichte. Sie musste jedes Mal zusehen, wie sie den Brief ungesehen verstaute, und das Schlimmste: Immer öfter kam Eugène des Sonntags zum Tee ohne Nachricht aus Gießen und zeigte mit einem Schulterzucken sein Bedauern.
    Sie selbst schrieb beharrlich weiter, wenn auch zögernd, das Papier mit den ersten Sätzen auf dem Tischchen vor ihrem Fenster blieb Tage liegen. Wenn dann die Fragen und Bitten endlich in mäßiger Dringlichkeit ausformuliert waren, ohne ihm, dem Liebsten, dem Mann, dem sie ihre Zukunft anvertraute, zu fordernd Aufrichtigkeit und mehr Briefe abzubitten, dann setzte sie auf den gefalteten und versiegelten Bogen seine Adresse:
    Mons. George Büchner
    bei Kaufmann Hofmann, Seltersweg
    Gießen.
    Bald darauf die Antwort, dass es ihm elend gehe. – Elend? Aber was tust du? Und ich kann nun nicht an deinem Bett wachen. – Welches Ausmaß das »Elend« hatte, erfuhr Minna von Eugène, der es über Freunde erfahren hatte.
    Georg hatte am 9. Dezember an August Stoeber geschrieben: »Zu Ende Oktobers ging ich von hier nach Gießen. Fünf Wochen brachte ich daselbst halb im Dreck und halb im Bett zu. Ich bekam einen Anfall von Hirnhautentzündung; die Krankheit wurde im Entstehen unterdrückt, ich wurde aber gleichwohl gezwungen, nach Darmstadt zurückzukehren, um mich daselbst völlig zu erholen.«
    Über Weihnachten bis nach Neujahr musste Georg in

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