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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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über den wiederum die Gutmütigkeit meines Vaters herrscht.
    Brot, Käse, Milch und Malzkaffee brachte Georg herauf, manchmal auch echten Kaffee, und dieser Duft ließ ihn dann kurz glauben, er sei in Darmstadt oder in Straßburg.
    Bist du wirklich wieder ganz hergestellt, fragte August, und Georg spielte mit den Lippen am Rand seiner Kaffeetasse, schaute auf die Straße und antwortete: Dieses Nest bringt mich zwar um den Verstand, jedoch geht es mir wieder gut, ganz gewiss, keine Sorge, wir können heute nach Butzbach laufen.
    Butzbach. Einen halben Tag Fußweg. Die Luft war frisch, aber die Sonne schien. Zunächst gingen sie noch alleine, was Georg freute. Beim Laufen erzählte August mehr von sich. Dass er kurz davor war, nach Amerika auszuwandern, und welche Umstände ihn zu solchen Überlegungen getrieben hatten, rührte Georg. Armut und Ekel vor seinem Studium waren es gewesen, erklärte August, jedoch die 100 Gulden für die Überfahrt konnte er nicht auftreiben.
    Welch Glück, verzeih mir, August, aber sonst hätteich dich nicht, sagte Georg lachend. Wessen Anblick sollte mich hier trösten, wenn die anderen mir auf ihrem Weg vom Wirt nach Hause ein recht herzlich betrunkenes Vivat als »Abschaffer des Sklavenhandels« unter dem Fenster bringen?
    Sei ihnen nicht böse, Georg.
    Sehe ich aus, als könnte ich über Kindereien böse sein? Kennst du mich noch so wenig? Nein, diese Narrheiten stören mich nicht. Wie sie schon vom Gemeineigentum und der Länderaufteilung sprechen, dies bereitet mir Kummer. Als wäre alles ein Handstreich. In einem Kampf gegen die Armeen, womit wir rechnen müssen, haben wir nichts als eine Handvoll undisziplinierter Liberaler entgegenzustellen. Und davor werden noch einige von uns im Gefängnis vor die Hunde gehen.
    In solchen Gesprächen gingen sie ihren Weg, auf dem sich vielleicht noch Trapp ihnen anschließen würde, und kurz vor Butzbach könnte der Küfermeister Schneider auf sie stoßen. Dann würden sie beim Lehrer Weidig klopfen.
    Weidig, der sie dirigierte, die Anwerbungen für den »Preß- und Vaterlandsverein« guthieß oder ablehnte. Zu ihm hatte August Georg gebracht, und jetzt sprachen sie über die Menschenrechte und darüber, wie der Staat auszusehen habe, der sie am zuverlässigsten wahren könne.
    Sie saßen am Tisch mit Weidig, dessen schmale Augen diese anziehende Sanftmut zeigte, die Frauen und Könige gleichermaßen einnehmen konnte. Ein kräftiges männliches Kinn, mit einem tiefen Grübchen, auf das Georg immer schauen musste, wenn er mit ihm sprach.
    Die wünschenswerteste Staatsform, sagte Georg, die die einfachste und dem Naturgesetz angemessene Regierung hervorbringen und halten kann, muss eine Republik sein.
    Sein Blick schweifte von Weidigs Kinn auf ein hölzernes Kruzifix über der Tür.
    Dies dem breiten Volke begreiflich zu machen, muss die Aufgabe einer Flugschrift sein. Ein blanker Aufruf zur Revolution wird sie schrecken. In welchem Unrecht sie leben und dass dies nicht Gottes Wille sein kann, müssen sie erst verstehen. Die Angst vor dem Blut ist groß.
    Weidig senkte seine lange, falbe Tonpfeife, sagte: Büchner, mach uns einen Entwurf, schreib zu, und wir beraten darüber.
    Georg fühlte seine Mundwinkel zucken, er lächelte, wie man sein schmallippiges Lachen kannte, er hörte den Zuspruch, ja, so machen wir es, hörte Augusts Begeisterung: Deine Sprache, deine Worte und Sätze, die ein schneidendes Messer sein können, ja, du musst es machen.
    Die Gläser wurden nachgefüllt, man stieß an, Georg dankte, fühlte Augusts langen Bart an seiner Wange, ja, lass dich umarmen, fühlte Weidigs sanften Blick, schaute auf dessen Kinngrübchen und musste schließlich wieder zum Kruzifix sehen, als er das Glas mit tiefen Zügen leerte.
    ***
    Die Jahreszeit schlug einen Purzelbaum und veranstaltete einen unwirklichen frühen Sommer. Selbst die Ältesten erinnerten sich nicht, je einen solchen Frühlingseinzugerlebt zu haben. In Darmstadt hatte es bereits zu Weihnachten Veilchen gegeben. Selbst auf dem Vogelsberg schlugen alle Sträucher zwei Monate früher aus.

    Gießen, den 8.3.34
    Der erste helle Augenblick seit acht Tagen. Unaufhörliches Kopfweh und Fieber, die Nacht kaum einige Stunden dürftiger Ruhe. Vor zwei Uhr komme ich in kein Bett, und dann ein beständiges Auffahren aus dem Schlaf und ein Meer von Gedanken, in denen mir die Sinne vergehen. Mein Schweigen quält Dich wie mich, doch vermochte ich nichts über mich. Liebe, liebe Seele,

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