Büchners Braut: Roman (German Edition)
besser beurteilen können. Aber er wusste Dinge von Plänen, auch von diesem Wachensturm. Und ich glaube, er wird bei dem, was er als »Affenkomödie« der Herrschaften bezeichnet, nicht einfach nur zusehen. Er hat ein … Herz, und, nicht wahr, den ehrlichen Willen … Man kann doch nicht den armen Leuten immer nur aufbürden?
Ja, ja, ja, unterbrach sie Jaeglé ungeduldig. Solange er selbst nichts tut, solange, mein Kind, hat er sich nicht strafbar gemacht. Leute kennen kann jeder, daraus wird keinem ein Strick gedreht.
Sie hörte darin die Warnung ihres Vaters vor dem Leben mit einem, der aus Überzeugung das Gesetz bricht. – Von der Aussicht auf ein stürmisches Leben hatte Georg geschrieben. Und sie wusste nichts und durfte nichts wissen von dem, was ihr Verlobter tat.
Aber du hast dich für ihn entschieden, Minna.
Dies war ein unerwarteter Zuspruch, und im Ton des Vaters lag so viel Bestimmtheit. Nur ein Ja, aber ja, Papa, brachte Minna hervor, sie kam sich bei diesem Gestammel so einfältig vor. Jetzt war es so: Sie war Georgs Braut. Ein stürmisches Leben? – Und meine Ansprüche auf Lebensglück?
In der Karwoche kam sein nächster Brief:
Ich werde gleich von hier nach Straßburg gehen, ohne Darmstadt zu berühren; ich hätte dort auf Schwierigkeiten gestoßen, und meine Reise wäre vielleicht bis zu Ende der Vakanzen verschoben worden. Ich schreibe Dir jedoch vorher noch einmal, sonst ertrag ich’s nichtvor Ungeduld; dieser Brief ist ohnedies so langweilig wie ein Anmelden in einem vornehmen Hause: Herr Studiosus Büchner. Das ist alles! Wie ich hier zusammenschrumpfe, ich erliege fast unter diesem Bewusstsein. Ja, sonst wäre es ziemlich gleichgiltig, wie man nur einen Betäubten oder Blödsinnigen beklagen mag!
Wir werden ein bisschen Romantik treiben, um uns auf der Höhe der Zeit zu halten.
Adieu.
***
Der Weidig versteht meine Schrift nicht, August. Ich fürchte schon sein Redigieren. Dabei ist gerade die Wirkung auf das breite Volk das Wichtigste.
Sie standen in Georgs karger Kammer, in der der Geruch ihrer verschwitzten Kleider hing.
Es macht mich unruhig, Georg, wenn du so redest, du, der du doch alle so begeistern kannst.
Georg legte beruhigend eine Hand an den Arm des Freundes. Es ist nur, weil Weidig nicht gefällt, was ich gegen die liberale Partei schrieb. Sollte es jedoch diesen Leuten gelingen, die deutschen Regierungen zu stürzen und eine allgemeine Monarchie oder auch Republik einzuführen, so bekommen wir hier einen Geldaristokratismus wie in Frankreich. Dann soll es lieber so bleiben, wie es ist.
Georg machte eine ausholende Bewegung, bei der er sich im Schwung um sich drehte.
Georg? Wir sind uns doch einig? Alle. Daher die Flugschrift. Ja, und die Masse muss durch ihre Überzahl und ihr Gewicht die Soldaten erdrücken.
Da ließ Georg die Arme fallen, starrte ins Leere. Augustbekam Angst. Wenn sie schon unter sich nicht in einem Guss und in einer Überzeugung arbeiteten, wie sollte die Wirkung auf das Volk ausfallen? Becker glaubte an jedes Wort, er hatte den Landboten ins Reine geschrieben.
Dann sagte Georg ihm, er müsse nach Straßburg.
Nach Straßburg, Georg?
Georg strich sich mit beiden Händen durch die wirren Locken, suchte fahrig seine Brille hervor. Ich brauche dazu Geld, sagte er noch. Vom Tisch nahm er ein Buch, zog daraus ein Blättchen hervor, während er auf August zuging.
Hier, August.
Becker nahm das Blatt. Es zeigte die Zeichnung einer jungen Frau, das Haar zu einem einfachen Kranz hochgesteckt, breite, dunkle Augenbrauen, ein skeptisches Lächeln, das den fast strengen, klaren Blick auf den Betrachter begleitete.
Das ist Minna, sagte Georg.
August schaute vom Blatt zu Georg. In Straßburg?, fragte er. Du hast ein Mädchen in Straßburg? Er lachte auf und legte ihm anerkennend die Hand auf die Schulter.
Wir sind verlobt.
Georg! Wie kannst du nur? Du hast ein gefährliches Leben vor dir. – Mit dem Finger deutete er auf die Blätter des Landboten auf dem Tisch. Wenn die Regierung erfährt, dass du dies geschrieben hast, dann ist dein Leben so gut wie verloren.
Georg lehnte sich an die Schulter des großen Mannes neben ihm. Aber ich muss zu ihr stehen, zu meinem Wort.
***
Georg schrieb an seinen Vater, um für die Reise in den bevorstehenden Osterferien nach Darmstadt Geld zu erbitten. Dass er nicht nach Darmstadt fahren würde, hatte er bereits entschieden. Unter Vorwänden erbat er eine größere Summe, als für die Reise allein notwendig
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