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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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Schrittes hin zum Gottesdienst, zum Vater in die Kirche, wo der dunkle Sandstein kühle Beruhigung verspricht. Sie bemerkt, wie Eugène sie von der Seite beobachtet und leichten Sinnes singt:
    Gott, ich nehms aus deinen Händen
    als Liebes-Zeichen an:
    Denn in solcher Leidens-Bahn,
    willst du meinen Geist vollenden …
    Und Minna singt mit, schaut den Vater nicht an und will ihren Geist nicht im Leiden vollendet sehen.
    Warum kann ich nicht einen Mann wie Eugène lieben?

    Gießen, um Mitte März 1834
    Ich wäre untröstlich, mein armes Kind, wüsste ich nicht, was Dich heilte. Ich schreibe jetzt täglich, schon gestern hatte ich einen Brief angefangen. Fast hätte ich Lust, statt nach Darmstadt gleich nach Straßburg zu gehen. Nimmt Dein Unwohlsein eine ernste Wendung, – ich bin dann im Augenblick da. Doch was sollen dergleichen Gedanken? Sie sind mir Unbegreiflichkeiten. – Dein Schmerz ist alt und abgezehrt, er stirbt, das ist alles, und Du meinst, Dein Leben ginge mit. Siehst Du denn nicht den neuen lichten Tag? Hörst Du meine Tritte nicht, die sich wieder rückwärts zu Dir wenden? Sieh, ich schicke Dir Küsse, Schneeglöckchen, Schlüsselblumen, Veilchen, der Erde erste schüchterne Blicke ins flammende Auge des Sonnenjünglings. Den halben Tag sitze ich eingeschlossen mit Deinem Bild und sprechemir Dir. Du sprachst mir von einem Heilmittel; lieb Herz, schon lange schwebt es mir auf der Zunge, ich liebte aber so unser stilles Geheimnis – doch sage Deinem Vater alles – doch zwei Bedingungen: Schweigen, selbst bei den nächsten Verwandten; ich mag nicht hinter jedem Kusse die Kochtöpfe rasseln hören und bei den verschiedenen Tanten das Familienvatergesicht ziehen. Dann: nicht eher an meine Eltern zu schreiben, als bis ich selbst geschrieben. Ich überlasse Dir alles, tue, was Dich beruhigen kann. Was kann ich sagen, als dass ich Dich liebe; was versprechen, als was in dem Worte Liebe schon liegt, Treue? Aber die sogenannte Versorgung? Student noch zwei Jahre; die gewisse Aussicht auf ein stürmisches Leben, vielleicht bald auf fremdem Boden!
    … doch sage deinem Vater alles! Sage deinem Vater alles! – Minna liest, und sie lacht in ihre Faust hinein, auf die Tränen fallen. Sie beißt sich in die Finger, kein Laut darf vor der Tür zu hören sein. Sie beugt sich nach vorne, das unterdrückte Lachen tut weh, zerrt in der Kehle, sie fällt kniend auf den Boden, wirft sich seitlich zurück, streckt sich mitten im Zimmer auf dem Flickenteppich aus. Die Stimme findet Erleichterung, keucht Ach- und Ha-Laute, die Finger suchen den Brief wieder, er liegt halb unter dem Nachtkasten, sie schaut ihn an. – Und nun? – Vater!
    Noch mit dem Mut und dem Feuer dieses Tages musste sie zu ihrem Vater gehen. Nur so geht es. Jedes Abwarten hätte Zweifel und Ängstlichkeiten geschürt.
    Er sah alt aus, und Minna tat es leid, diese bisherigeGeheimnistuerei. Jetzt nun die Strafe, das schwere Geständnis.
    Aber Ihr wollt es doch noch erleben, Monsieur le Papa? Nicht wahr? Dass Eure Tochter, die einzige Tochter …, Papa, seid nicht böse, ich bitte Euch.
    Pfarrer Jaeglé hatte sich einen Abendimbiss auf sein Zimmer bringen lassen. Nun schob er seinen Teller beiseite, drückte die Serviette von einer Hand in die andere, legte sie weg, erhob beide Hände, wie vor einer wichtigen Passage in einer Predigt.
    Romantischer Firlefanz! Heimliche Verlobungen! Moderner Humbug!
    Er kaute noch vor sich hin, trank einen Schluck.
    Du hast Glück, mich nach dem Essen aufzusuchen. Du weißt – ja? da bin ich gut gelaunt.
    Ja, Papa. Minna sah auf den Boden, während der Vater aufstand und energisch auf und ab ging.
    Ich hab ja nichts gegen ihn, mein Kind. Nein, ich nicht. Aber … wie sieht das sein Vater?
    Sein fordernder Blick bedrängte Minna, sie kannte keine Antwort.
    Ihr wisst es noch nicht, nicht wahr? – Also gut. Dann darf ich dir meine Vermutung anvertrauen: Den guten George hat die Angst vor seinem Vater in die Heimlichtuerei getrieben. Und da sage ich, liebe Minna, als dein Vater – und er tippte energisch mit dem Finger auf die Tischplatte –, das nehme ich ihm übel! Dir ging es schlecht, krank warst du! Wie will er das rechtfertigen? Hm, nun gut. Ich habe so etwas geahnt.
    Er setzte sich wieder, sagte: Im Übrigen, wie steht es mit seinem republikanischen Eifer?
    Minna antwortete, ohne sich von der Stelle zu rühren:Oh, Papa, ich mache mir Sorgen. Er kennt Leute – ich weiß nichts Genaues –, Ihr werdet das selbst

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