Büchners Braut: Roman (German Edition)
war. 20 Gulden. Gleichzeitig ersuchte er brieflich seinen Patenonkel Georg Reuss um 22 Gulden. Im Besitz beider Summen, reiste er Ende März nach Straßburg. Seine Eltern glaubten ihn längst auf dem Weg nach Darmstadt.
Aber Minna durfte ihn erwarten. Der Herr Studiosus Büchner! Sie lachte. Sie nahm sich das Recht, glücklich zu sein. Mit welcher Last er in Straßburg ankam, wusste sie noch nicht.
Schweigen zur Verlobung, selbst bei den engsten Verwandten, hatte er geschrieben. Minna wollte keine Kränkung darin erkennen. Ihr Vater ging damit nur unwillig um.
Was denkt er sich? Ihr seid verlobt!
Vater, bitte, seid nicht so streng mit ihm.
Ja, ja, Liebe macht nachsichtig. Der alte Mann zog sich mit einer barschen Handbewegung zurück.
Minna richtete das Haus, Georgs Zimmer, obgleich er in ihm nicht wohnen würde, buk Kuchen und putzte die gute Stube. Nur nicht warten, nicht auf die Uhr sehen. Wann er kommen würde, hatte er nicht angekündigt. Früher Nachmittag war es schließlich, als er durch die angelehnte Haustür trat. Minna sah vom Ende des Flurs den Lichtspalt breiter werden, darin erschien dunkel seine schmale hohe Statur. Er zog den Zylinder ab, pochte sacht an den Türstock. Minna?
Lange standen sie zusammen im kühlen Korridor,umarmten sich unter der Treppe, hinter Georg die offene Falltür zum Keller hinunter, wo auf der obersten Stufe der Holzstiege eine Maus fiepte. Sie lachten vor lauter glücklicher Verlegenheit.
Was gibt es denn zu weinen, sagte er, wischte sich dabei zwei Tropfen aus den Augenwinkeln, streichelte ihr über den Scheitel. Mein Lieb!
Minna musste schniefen, tupfte sich mit einem Tüchlein das Gesicht ab. Ach, die Freude, die Aufregung. George!
In diesem »Ach« lag so viel Ungesagtes. Für Georg klang es wie Anklage, heimliche Sorge, nicht unberechtigte.
Sie wollte nicht drängen, aber ihr Vater sagte es Georg geradeheraus. Unverzüglich solle er seine Eltern benachrichtigen. Georg versprach es und noch alles, was von einem Schwiegersohn tunlichst erwartet wird. Sicherheit und Versorgung.
Da glaubte man vor einem Jahr noch das Leben völlig offen zu sehen, sagte Minna, und dann steht man vor einem festgefügten Weg.
Sie gingen spazieren, durch die Stadt, zusammen mit Louis-Théodore, der seine Ferien, wie er ironisch Georg zuwisperte, anständigerweise zu Hause bei seinen Eltern verbrachte.
Georg warf seinen Stock leicht in die Luft, fing ihn geschickt auf. Ja, vor einem Weg, bestätigte er Minna. Eine neue Wirklichkeit, die das ist, was bleibt, wenn man durch das Nadelöhr einer Entscheidung gegangen ist.
Minna stellte sich mit einem flinken Schritt energischvor ihn. George! Du hast in den letzten Monaten auch andere Entscheidungen getroffen, nicht wahr?
Tauben flogen unerwartet neben ihnen auf, lenkten die Blicke kurz auf sich. Minna nahm seine Hand. George!
Ja, Minna, aber nicht jetzt. Bitte.
Er bot seinen Arm an, sie hakte sich unter. Als sie Louis-Théodore wieder einholten, sagte dieser: Tja, Büchner, mit meiner großen Schwester hast du dir keine Frau ausgesucht, die alles fraglos hinnimmt.
Eine Frau, die das täte, wäre mir auch gleich, Louis. Wäre es nicht entsetzlich langweilig?
Die Spitze seines Stockes kreiste in der Luft, rahmte den Münsterturm ein.
Was tust du, George?
Ein Ziel suchen, Minna, es einkreisen.
Sei vorsichtig dabei, flüsterte Minna.
Sie bogen auf den Fischmarkt ein, eine Windböe trieb die langen Bänder an Minnas Strohschute über Georgs Brust, dann um ihre Schulter. Sie gingen auf das Ufer der Ill zu. Minna fragte: Hast du den Brief bereits geschrieben?
Sie fühlte seinen Arm sich zusammenkrampfen. Seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich.
Die Störche!, rief Minna. Ist euch das aufgefallen? Sie schaute in den Himmel. Obwohl das Frühjahr so warm ist, kommen die Störche trotzdem nicht eher aus Afrika zurück.
Dies war einer der wenigen ruhigen Tage, das Osterwochenende. Darauf musste täglich mit Unruhen gerechnet werden. Die Stadt war unsicher, bewaffneteAufstände waren geplant. Zum 10. April trat ein Gesetz in Kraft, das die Vereinsfreiheit auch für weniger als zwanzig Mitglieder aufhob, und jedes Mitglied machte sich strafbar, nicht nur die Anführer.
Minna wollte Georg Fragen stellen, aber sie war vorsichtig, sagte: Du willst doch, dass ich Anteil nehme. Was tust du hier? Da ist etwas, ich weiß es.
Du solltest nicht zu viel wissen.
Und was ist das Wenige, das ich wissen darf?
Ich muss sicher sein, wir
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