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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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– ich oder meine Freunde – haben einen gut geplanten Fluchtweg und zuverlässige Unterkunft bei eingeweihten Leuten, falls es so weit kommt.
    George? Ihr geht so weit?
    Es ist nicht schwer bei den deutschen Gesetzen, zu weit zu gehen.
    Sechzehn Tage hielt Büchner sich in Straßburg auf, und bei seiner Abreise schlugen sich die bewaffneten Republikaner mit der Armee. Auf einem Bankett der Republikaner im Hotel »Zum Geist« wurde der Trinkspruch ausgerufen: »Auf die Stunde der Befreiung der Völker und den Tod des letzten Königs!«
    Solche Nachrichten machten die Runde. Man rechnete mit allem.
    Wenn wir nur in Hessen so weit wären, sagte Georg. Zum Verabschieden war er früh am Morgen von Reussens Neuhof draußen in die Stadt gekommen, reisefertig, die Pelerine über den Arm gelegt.
    George, überlegt … nein, überlege du gut, was du tust. Sie mimte ein fröhliches Lachen. Vater Jaeglé fragte nach einem Antwortbrief aus Darmstadt.
    Der ist eingetroffen, sagte Georg.
    Und? Der sieht nicht so aus, wie ihr es euch gewünscht habt?
    Ein stummes Nicken folgte. Aber ich – Georg wollte seiner Stimme Gewissheit geben –, aber ich werde mein Studium zu Ende bringen und für mich tun, was für mein Leben wichtig ist. Und hierzu gehört, Minna zu heiraten. Keiner wird meine Grundsätze durchkreuzen.
    Jaeglé hob kurz die Augenbrauen. Gut, lieber Büchner.
    Man erwartete am Vormittag Tumulte auf den öffentlichen Plätzen, deshalb durfte Minna nicht mit zur Poststation kommen. Nur eine Umarmung noch, so lange wie möglich, dann im Gehen ein Blick über die Schulter. Georg rief von der Straße: Ich werde ein Revolutionsstück schreiben, Minna. Adieu, piccola mia.
    Drinnen lehnte sich Minna mit dem Rücken gegen die Tür, die mit einem metallenen Schnarren ins Schloss rutschte. – Eine gewisse Aussicht auf ein stürmisches Leben. – Oh, George!

1853
    Der Buchdeckel ließ sich noch nach drei Jahren mit dieser leichten Widerspenstigkeit öffnen, die neuen Büchern eigen ist. Minna hatte das Buch nicht oft aufgeschlagen, seit es hier stand. Es hatte seinen Platz in ihrem Zimmer, im Regal, mal weiter oben, mal weiter unten, nur nicht auf Augenhöhe, wo sie es oft sehen müsste. Die »Nachgelassenen Schriften von Georg Büchner«, herausgegeben von Ludwig, dem Bruder, ihm, dem sie so viel anvertraut hatte, der Georg so ähnlich war.
    Geschickt hatte man es ihr, es als Erfolg bezeichnet, dies geschafft zu haben, auch mit ihrer Hilfe. Minna, ich bin zu Dank verpflichtet, schrieb Ludwig.
    Sie blätterte, die Schutzseite, das Deckblatt, das Inhaltsverzeichnis:
    Georg Büchner, Seite 1
    Dantons Tod, Ein Drama, Seite 51
    Leonce und Lena, Ein Lustspiel, Seite 151
    Briefe: An die Familie, Seite 237, An die Braut, Seite 281 – Briefe an die Braut. Das bin ich. Ich, die Braut. Die Blätter schlagen sich in leisem Knistern widerständig um, die Hand glättet sie, weiter, da, Seite 281. Briefe an die Braut. Wort für Wort. Alles so abgedruckt, wie sie es Gutzkow vor dreizehn Jahren abgeschrieben hatte. Meine liebsten Worte, vor den Augen aller, aller Menschen ausgebreitet.
    Dies war der Bruch, die Auflösung der Freundschaft zu den Büchners.
    Bei ihrer Cousine Julie zeigte sie ihren Schmerz ungeniert. Niemand erlebte wie Julie die schluchzende Minna. Vor den Freunden zeigte sich eine untröstlich entrüstete Frau. Niemand soll vor mir jemals mehr von den Büchners sprechen, forderte sie.
    Selbst Edouard Reuss, der ganz und gar auf Minnas Seite stand, fand dieses rigorose Verbot übertrieben. Wäre es nicht genug, Minna, fragte er deutlich, lediglich nicht über Ludwig zu sprechen? Aber die Büchners, die Familie, ich bitte dich, wir sind verwandt mit ihnen.
    Ach, diese Verwandtschaft, die vor zwei Generationen eine enge gewesen sein mag. Damit wollte sie sich nicht versöhnlich stimmen lassen. Der Name Büchner, der Name, den sie bereits heimlich als Unterschrift geübt hatte – Wilhelmine Büchner – W. Büchner – L. W. Büchner – Büchner – Büchner – auf Löschpapier vier, fünf Mal hintereinander – der Name war ihr durch Ludwig zuwider geworden, als wenn man Galle in ihr Gemüt gespuckt hätte.
    Ein Schmerz, ein Verlust, mein Gott, ja, ich werde vergessen können, wenn ich mir vor Augen halte, dass das Buch keinen sehr weiten Umlauf haben wird und die, die es lesen, auch vergessen werden. Wen bewegen die Briefe eines jungen, unbekannten Dichters? – Mich! Und alle, die uns kannten, lesen die Briefe und vergessen

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