Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
Vom Netzwerk:
nicht! Ich stehe im Hemd vor ihnen!
    Und jetzt wieder seit langem ein Tag, an dem sie grübelnd das Buch in der Hand hielt, verlegen blätterte und gar nicht wusste, warum sie sich verlegen fühlen sollte.Das Gewissen. Sie war zu schroff, gewiss war sie unangemessen wütend gewesen vor drei Jahren. Jetzt ist alles zerteppert, wie ihre Mutter sagen würde. Kein Wort von den Büchners kam mehr, und sie wollte auch nicht schreiben. Wenn sie das Buch weggeben könnte, wenn es aus den Augen wäre, würde das helfen, zu vergessen.
    Doch viel mehr schwebte ihr die absurde Idee vor, alle Exemplare zu sammeln, sie den Leuten abzuverlangen, sie abzubetteln unter Vorwänden, wegen Fehldrucks, enthaltener Irrtümer oder gar Lügen.
    Sie stellte es zurück ins Regal, diesmal weit oben, schaute prüfend den Platz an. Nein, er hätte sie nicht abdrucken dürfen! – Das Buch weggeben? Sie ahnte, im gleichen Moment hätte sie es bereut. Wenn man vor dieser Entscheidung nur davonlaufen könnte.
    Sie ging hinaus, als ob sie wirklich davonlaufen könnte, wie so oft. Sie liebte die Spaziergänge in den Gassen draußen. Ein klein wenig hier so sein, wie Emma Herwegh es überall für sich beanspruchte. Alleine durch die Straßen Straßburgs zu gehen, selbst wenn es keinen Anlass gab, keine Besorgung, keine Einladung. Um eine Restauration aufzusuchen, musste sie sich leider Gottes auf ihre Besuche bei den Verwandten im »Blauen Bauer« beschränken. Mochte Julie-Pauline auch davon wissen – sicher wusste sie es –, Minna gab es vor Eugène Boeckel als Vertraulichkeit aus. Er sollte von ihrem kleinen Aufbegehren gegen die engen Lebensregeln von Nützlichkeit und Anstand wissen. – Nur zum Vergnügen, Sie verstehen? – Er war der Freund. Eugène Boeckel, der ihr Georgs Briefe heimlich übergeben hatte, der nie ein Geheimnis gebrochen hatte.
    Vollstes Verständnis habe ich, beste Freundin. Er sagte oft »beste Freundin«. Sie hatte ihm erklärt: Mademoiselle Wilhelmine, das bin ich nicht mehr.
    Er sah kurz auf, als suchte er eine pathologische Veränderung in ihrem Gesicht.
    Oui, beste Freundin, Wilhelmine, ohne Mademoiselle! Voilá.
    So sagten sie »Sie« zueinander, seit ihrem sechzehnten Lebensjahr, als sie sich in Straßburg trafen, er erst fünfzehn, der Sohn des besten Freundes ihres Vaters, Jonas Boeckel. Wilhelmine und Eugène. Für immer: »Sie« und »Ihre beste Freundin«.
    Sie begegneten sich oft, denn Eugène liebte die Grand Rue, die Geschäfte, Auslagen und Buden, und wenn Minna von der Rue des Cordonniers direkt in die Grand Rue einbog, sich unter den Leuten in dem Gewirr von wehenden Schürzen und Rockschößen, zwischen Schuten, Zylindern und Spazierstöcken verlieren wollte, für eine Stunde, nur für eine Stunde, bitte, die Zeit, die Briefe, die Büchners und sonst alles vergessen wollte, konnten sich ihre Wege leicht kreuzen. Man kann mit seinem Arzt, seinem ältesten Freund, dem Vertrauten, auf der Straße reden. Er erwähnte dann und wann George, seinen Freund, und bei ihm war es Minna erträglich. Eugène sprach mit nonchalanter Herzlichkeit von der Vergangenheit. Weiß Gott, warum dies so war, weiß Gott, warum er Georgs erster und bester Vertrauter geworden war. Er, Eugène, der Schwätzer, der Plauderer, der Genießer. Immer bei Laune und immer bei Gelde, wie er sich einmal beschrieb in einem Brief. Er, Eugène, wusste als Erster von ihrer Verlobung.
    Wie er dastand, gedrungen, kaum größer als Minna,aber sicher und schwungvoll in jeder Bewegung. Elegant hielt er seinen Stock, den er zuweilen unentschieden schwenkte. Minna lächelte.
    Das Flanieren, welche Leidenschaft!, schwärmte Eugène, wie er von allem schwärmte, was bequem und elegant war.
    Minna hielt ihren Hut fest, die Beuteltasche an der anderen Hand flatterte im Wind. Die weiten Ärmel ihrer kurzen Mantille flappten ab und zu nach hinten. Der Wind holte das Laub von den Bäumen, wirbelte die Blätter um die Füße, ein trockenes Knistern begleitete die Schritte. Auch Eugène hielt seinen Hut.
    Sie lachen, beste Freundin. Seien Sie ehrlich, Sie lachen über mich.
    Lieber Freund, wie käme ich dazu! Ich liebe es, mit Ihnen zu parlieren, den Weg zu teilen. Es stimmt mich heiter. Und daher, lieber Eugène, darf ich Sie etwas fragen, was mir seit Tagen auf dem Gemüt liegt?
    Grandios! Wer kann schon von sich sagen, ein Frauenherz heiter zu stimmen? Und die Frage?
    Den Kopf ein wenig geneigt, gegen den Wind gestemmt, gingen sie vorwärts.
    Es geht um mein

Weitere Kostenlose Bücher