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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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Zweifel, lenkte Boeckel ein, aber er sehe das pragmatischer. Die Nichtigkeiten des Äußerlichen sind wie Spielzeuge, an denen ein Kind lernt. Über das Auge wird unmittelbar die Botschaft an das Herz vermittelt. Nun denn, keine Angst, ich werde unserer Konfession nicht abtrünnig. Dieu merci, wir leben ihn hier in diesem Winkel unbehelligt. Dies war nicht immer so.
    So wie er gerne von der Religion plauderte, hielt er es auch mit der Politik. Nur nicht diskutieren, im Plauderton war alles erträglicher.
    Von Reisen, ja, von seinen Reisen erzählte Boeckel allzu gerne, von seiner Tour durch die deutschen und österreichischen Städte und Hörsäle, von seiner Beschau der dortigen Professoren und Leichen in der Anatomie.
    Es gab einige Aventuren, namentlich auf dem Weg nach Wien, begann er.
    Minna kannte das alles. Oh, wovon wird zu meinem Geburtstag geredet! Von den Farben der katholischen Priestergewänder, dem Gespräch mit Gott und Unannehmlichkeiten auf Reisen, deren Ziel es ist, Leichen zu zerschneiden. Aber was wäre die Unterhaltung ohne Eugène?
    Eugène hielt die Österreicher unter ihrer Monarchie für das glückseligste Volk, welches daher gar nichts anders zu wollen schien: Abgesehen davon, dass in diesem Staatsgebilde der katholische Glaube sich gut ausmacht und ein hohes Maß an Zusammenhalt vom Balkan bis an die Adria gibt.
    Nun ja, warf Charles ein. Die österreichische Monarchie scheut Modernisierung in der Staatsführung wie die Pocken und versäumt im Dornröschenschlaf den Aufbruch.
    Eugène holte neu aus: Und wer hat schon einen so ausnehmend schönen, eleganten Kaiser! Eine andere Verfassung wäre der Ruin dieser Monarchie!
    Nun denn, lieber Eugène. Minna zeigte sich interessiert. Jetzt haben auch wir einen schönen, eleganten Kaiser und eine schöne Kaiserin dazu. Was hat dies nun zu sagen? Seien Sie mir nicht böse, aber er hat uns einneues Kaiserreich beschert, doch was das Kaiserreich uns beschert, wird sich noch zeigen.
    Dies ist allerdings vorerst nicht zu sagen. Ein neuer Kaiser Napoleon hat längst nicht die Wurzeln, die ein Habsburger hat. Aber ich bin zuversichtlich.
    Es war wie immer. Eugène streckte jeder neuen Regierung erwartungsvoll wie ein Kind zu Weihnachten die Arme entgegen, bevor die Geschenke überreicht wurden. Er war wie vor zwanzig Jahren und würde sich wohl nicht ändern. Georg hatte damals gemeint, Eugène sei naiv bis auf die nackten Knochen. Er war es leid, Eugènes Argumente anzuhören und sie anschließend aus den Angeln zu heben, was nicht schwer war, aber bei Eugène nichts bewirkte.
    Nein, er war nicht leichtsinnig. Leichtsinn war für Eugène eine Umschreibung für die Fähigkeit, leichten Sinnes zu sein. So meinte er oft: »Wer nicht leichtsinnig ist, soll sich Mühe geben, es zu werden, es trägt viel zu den Annehmlichkeiten dieses Lebens bei.«
    Georg war leichtsinniger. Nie leichten Sinnes. Den Leichtsinn verkaufte er den Leuten als unbegrenztes Gottvertrauen. Vor Minna nicht.
    Minna wollte gerne das Gespräch beenden, nein, bitte nicht über Staat und Bürger sprechen. Sie mochte es – damals. Nun nicht mehr. Nur eine Stimme wollte sie dazu hören. Was reden die Menschen so daher über Freiheit, Bürgerrechte, Steuern, Macht, Parlamente. Ja, ja, redet nur. Ich rede mit, höre euch, obgleich ich nichts hören will, denn seine Ideen und Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Er hatte recht, die Menschen sind nicht reif für große Republiken, Gemeineigentum, Wahlrecht für alle, Bauern und Frauen eingeschlossen. Alles stockt.Keine wirkliche Änderung ist in Sicht. Wenn sie doch nur wie Georg von einer »république universelle« reden könnte, von der Utopie, die seine Stimme zum Brennen brachte. – Wie lächerlich sie einmal davon gesprochen hatte. Ihr fehlten die Argumente. Nein, ihr fehlte wohl die wirkliche Überzeugung, dass dies möglich sei. Eine Republik aller Bürger in Freiheit, Gleichheit und – was jedenfalls am meisten fehlen würde, solange es den Reichtum der einen gäbe – Gerechtigkeit. Darüber zu diskutieren, fand Minna seit Jahren müßig, unergiebig, zumal mit ihren Herren Verwandten, den Theologen, die hier zu Gast waren. Das Himmelreich bringt die späte Erlösung, und die Hinwendung zu Gott ist im Leben der rechte Weg, wie sie in ausführlichen Erläuterungen der christlichen Lehre darlegten. Kompliziert und feinsinnig war das Gedankengespinst, und Minna und Julie-Pauline stimmten dem allen freundlich zu.
    Das Gute im Kleinen

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