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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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abgeschrieben. Und er? Er gibt sie der Öffentlichkeit preis! Seitdem tauchten diese Beschwerden auf. Ein Druck unter dem Brustbein. Eugène Boeckel konnte keine Anomalität finden. Wenn Sie sich sonst gut fühlen, beste Freundin, sagte er, dann gibt es keinen wirklichen Grund zur Sorge. Viel Bewegung in frischer Luft, dabei gut durchatmen.
    Natürlich konnte er nichts finden. Ein Körper lebt mit seiner Seele, und die ist wahrhaftig ein unbekanntes Land.
    Der Druck ließ nach. In ihren Augen standen Tränen. Nicht von dem Schmerz. Der war selten so beißend gewesen. War es immer noch der Zorn gegen Ludwig? Durch ihn hatte sie die Familie Büchner gänzlich verloren. Keine Briefe mehr von und an Louise oder Mathilde, die Mutter. In der Trauer waren sie verbunden geblieben und wie entspannt war der Blick des Vaters auf sie gerichtet gewesen, ohne Argwohn. Alles vorbei. – Oder die Sehnsucht nach George lockte die Tränen, wieder und wieder. Wirklich jetzt noch? – Ein Buch mit lauter Gedankenstrichen. Ist das nicht ein netter Gedanke, Minna?

1835 bis 1836
    Die Ankunft Georgs im März war für Minna lang ersehnt und fiel dann geradezu unvermittelt in den Alltag ein, da die vorherigen Kümmernisse noch die Gedanken beanspruchten. Da stand sie in Schürze und mit Einkaufskorb und sollte begreifen. Das Billett kam per Boten, auf der Rückseite nur ein großes G. als Absender, einfach gefaltetes Papier ohne Siegellack, vorne ein mit fahriger Feder hingesetztes »Mad. Jaeglé«. Keine Postbeförderung. Ein, zwei Herzschläge waren kraftvoller. Dann die Nachricht, seine schnellen, schluderigen Buchstaben. George! Er ist da. Hier in Straßburg. Die Flucht hatte somit sein müssen.
    Papa, rief sie nach oben, ohne jeden Zweifel, ob wirklich alles gut verlaufen war. Er war hier, seine Schrift bewies es. Papa! Er ist da.
    Das Papier war nicht sorgfältig aus einem Bogen herausgerissen worden. Warum erinnert man sich an solche Kleinigkeiten?
    Wie sich der Vater dann die Brust hielt, als er das Billett gelesen hatte, das wusste Minna auch noch.
    Gut, hatte der Vater gesagt, nun ist auch das überstanden.
    In seinem Gesicht ein Ausdruck, der sagen mochte: Warum muss ich im Alter noch solche Aufregungen mitmachen?
    Minna tat er leid, aber ihr war, als müsste sie tanzen. Wohnen, ja wohnen durfte George hier unter einem Dach mit ihr nicht mehr. Armselige Anstandsregeln.
    Frische Regenluft wehte vom offenen Fenster herein, und seitdem erinnerte sie dieser bestimmte Geruch von Frühlingsregen immer an diesen Tag.
    Georg hielt sich zunächst im »Rebstöckl« auf, wo die meisten deutschen Flüchtlinge die erste Unterkunft fanden. Später kam er in einem Haus an der Place St.-Pierrele-Jeune unter. Bei den Behörden melden konnte er sich aber erst nach einem halben Jahr unter der Adresse Rue de la Douane No. 18.
    ***
    George, mein Junge! So begrüßte ihn Pfarrer Jaeglé nun oft, sagte dann und wann sogar: mein Sohn.
    Magst du das, wenn er dich so nennt?, fragte Minna. Georg antwortete mit einem monotonen Laut, schien hinter seinen Brillengläsern wieder einmal hundert Jahre weit entfernt, als er anfügte: Man möchte so oft einen anderen Vater.
    Nun, ich nicht, fuhr es aus Minna heraus. Sie unterdrückte ihren Groll gegen solche Reden. Doch hatte sie nicht Ernst Büchners Strenge und Unbeugsamkeit zur Genüge erlebt, um Georg zu verstehen?
    Ihr Vater hatte ihnen beiden gerade ein Buch geschenkt, »Aus den Werken der vorzüglichsten deutschen Kanzelredner«. Darin, so wies Jaeglé ausdrücklich hin, sei Schleiermachers erste Predigt zur Ehe.
    Seine Art ist ja sehr in Mode bei euch jungen Leuten.
    Georg hatte verdutzt dreingesehen, aber Minna hatte ihm mahnend die Hand gedrückt und sich artig bedankt.
    Georg meinte dann, das Buch sei bei ihr auf dem Zimmer gut aufgehoben.
    Aber Georg, wir müssen es zusammen lesen.
    Nein. Ich habe nichts mit dem Schleiermacher im Sinn.
    Vater wird uns danach fragen.
    Ach was. Minna, ich muss schauen, was ich aus dem Lenz nun für ein Stück zimmern kann, und das ganze medizinische Marterwerkzeug liegt mir auch im Genick.
    Was hatte sie darauf geantwortet? Minna konnte sich nicht entsinnen. Jedenfalls brachte sie ihn dazu, kurz in die Predigt zu schauen. Dass diese schon seit Jahren nicht mehr »in Mode« war bei jungen Verlobten, bemerkte ihr Vater dann doch.
    War es nicht eben noch so? Kinder, bin ich schon so alt?
    Nein, Papa, nur die Zeit vergeht.
    Das Zimmer mit der grünen Tapete war zu dieser Zeit

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