Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
Vom Netzwerk:
einzelnen. Zwischen dem Staat und
     der Bürgergesellschaft existiert eine »dialektische Beziehung«. 259 Soziales Kapital wird in der Lebenswelt gebildet, bleibt aber an soziale, rechtliche, |242| infrastrukturelle Rahmenbedingungen gebunden; ohne diese Anhaltspunkte versiegt die Quelle, schrumpft der Kapitalstock. 260 Wo der Staat sozial abrüstet, abdankt, zerfällt das Fundament, entfernen und entfremden sich die Menschen voneinander, nehmen
     sie die anderen nicht länger als ihresgleichen wahr, schläft ihr sozialer Sinn unwiderruflich ein. – Das betrifft sogar den
     seltenen Fall, daß es allen oder doch den meisten materiell gesehen besser geht. Den Ausschlag zugunsten einer aktiven Bürgerschaft
     geben Balance und »Nähe« der sozialen Lagen, nicht der Lebensstandard als solcher. 261 Fouriers Idee einer proportionalen Verteilung, bei der jede Gruppe am wachsenden Wohlstand teilhat, nur eben ungleich (§
     22.1), beruht, so fortschrittlich sie zu ihrer Zeit auch war, zuletzt auf einem Irrtum. Man überschaue seine Tabelle 262 :
     

     
    Nach fünf Verteilungszyklen wird der Arme seine Lage merklich gebessert haben, befindet er sich auf dem Ausgangsniveau des
     Reichen. Gleichzeitig frieren die Relationen ein; wo der Arme hinkommt, dort war der Reiche schon, vor langem. In absoluten
     Einheiten gemessen, wächst der Abstand unaufhörlich mit der Folge, daß die beiden in zwei aparten sozialen Welten wohnen,
     je weiter die proportionale Verteilung voranschreitet, desto mehr. Und genau das gefährdet den sozialen Sinn: »Möglicherweise
     stellen die Wahrnehmung und die tatsächliche Erfahrung einer zunehmenden Ungleichheit Ursachen für die abnehmende Bereitschaft
     zu Vertrauen und zu den einfachen Formen des gesellschaftlichen Engagements in der |243| Gemeinschaft dar,
obwohl sich der allgemeine materielle Wohlstand erhöht hat
.« 263
    5. Selbst wenn die von den privilegierten »Ständen« organisierte Staatshetze den ökonomischen Erfolg bewirken würde, den sie
     verspricht – um die Integrationskraft der Gesellschaft wäre es dennoch geschehen. Die »Reformen« der Neokonservativen und
     Neoliberalen riskieren bewußt die soziale Entropie, den moralischen Kältetod sogar in einer prosperierenden Marktgesellschaft.
     Streckung und Auflösung des sozialen Bandes stehen unter den gegebenen Verhältnissen in direktem Verhältnis zur Entstaatlichung
     des gesellschaftlichen Lebens. Nur das Zusammenspiel von demokratischem Staat und Bürgergesellschaft wahrt und mehrt das soziale
     Kapital.
    Gewiß, das bürgerschaftliche Engagement kann in zu große, zu einseitige Abhängigkeit vom Staat geraten. Dann zeigen die Individuen
     nur wenig Leidenschaft zu eigenen Unternehmungen, verliert sich das Bewußtsein für die stets mitlaufende Vereinahmung der
     Gesellschaft durch den Staat. 264 Bewegt sich das Engagement dagegen in allzu großer Staatsferne, bleibt es sich weitgehend selbst überlassen, degeneriert
     es, im guten Gefühl, das soziale Gewissen zu verkörpern, zum Erfüllungsgehilfen staatlicher Fehlfunktionen (§ 6.5). 265 Weder die verstaatlichte noch die entstaatlichte Bürgergesellschaft schließt das Individuum auf Dauer für soziales Handeln
     auf. Die eine vertröstet den persönlichen Tatendrang auf das nächste Dekret von oben, die andere stopft mit ihm endlos die
     Löcher, die ein flüchtiger Staat in das soziale Gewebe riß; zwei Mißbildungen, aber doch nur eine ernsthafte Bedrohung. Denn
     es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die ENTSTAATLICHTE Bürgergesellschaft die uns zugedachte Zukunft ist. 266 Konservative und Liberale, leider auch Sozialdemokraten und Grüne arbeiten mit Eifer an diesem Projekt, das sie hinter dem
     Wohlklang der »Subsidiarität« verstecken.
    6. » Subsidiarität die; –: 1. gesellschaftspolitisches Prinzip, nach dem übergeordnete gesellschaftliche Einheiten |244| (bes. der Staat) nur solche Aufgaben übernehmen sollen, zu deren Wahrnehmung untergeordnete Einheiten (bes. die Familie) nicht
     in der Lage sind (Pol.; Soziol.).« 267
    » Subsidiarität , die; – (gegen den Zentralismus gerichtete Anschauung, die dem Staat nur die helfende Ergänzung der Selbstverantwortung kleiner
     Gemeinschaften, bes. der Familien, zugestehen will). 268
    Was der gebildete Jargon verklausuliert, wird für den Hausgebrauch auf seinen Kern gebracht – die Umkehr der sozialpolitischen
     Beweislast. Im Zweifel handeln auf eigene Rechnung, und dann auf Almosen hoffen.
    7. Es

Weitere Kostenlose Bücher