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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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Wertschöpfungsprozesses vertraut sind. Die operativen Eigentümerfunktionen werden
     gleichsam nach unten »durchgereicht«, wodurch sich der Eindruck neu errungener Freiheiten nur weiter befestigt. Die unmittelbare
     Folge dieser wohl dosierten Teilhabe ist die Ausbreitung fiktiver Tauschbeziehungen im Inneren der Unternehmen. Die vertikalen
     Komponenten der innerbetrieblichen Funktionsteilung, Produktionsbereiche, Abteilungen, Arbeitsgruppen, selbst einzelne Arbeiter,
     verwandeln sich in Pseudo-Unternehmen.
    Eine Parallelaktion großen Stils, das
Outsourcing
, erzeugt denselben Effekt auf der horizontalen Verflechtungsebene. Logistik, Vertrieb, mitunter sogar die Produktion im ganzen
     werden ausgelagert, Subfirmen zugewiesen. Auf die Spitze getrieben, schrumpft das Mutterunternehmen zur zentralen Koordination
     mit angeschlossener Werbeabteilung zusammen. Verfügungs- und Bestimmungsrechte, der harte Kern des Eigentums, lösen sich nicht
     auf, wie Rifkin suggeriert 101 ; sie werden verschlankt, gebündelt. Systematisch betriebenes
Outsourcing
verflacht die innerbetriebliche Arbeitsteilung und vertieft die Arbeits- und Funktionsteilung zwischen den Unternehmen; die
     internen Handlungsketten werden kürzer, die externen verlängern sich; es entstehen mehr faktisch oder formell selbständige
     ökonomische Einheiten. Die neuen »Selbständigen« geraten in eine zunächst alternativlose |109| Abhängigkeit vom Zentralgestirn, das sie in ihre relative Freiheit entließ oder diese Freiheit erst begründete. Um in der
     Umlaufbahn bleiben zu dürfen, müssen sie sich gegen Konkurrenten behaupten, die in sie eintreten möchten. Der erbitterte Ausscheidungskampf
     zwingt ihnen dieselbe Logik auf, der sie ihre Existenz verdanken. Es kommt zum
Outsourcing
in zweiter und dritter Potenz mit immer demselben Resultat: weniger »gute« und mehr prekäre Arbeitsplätze bei insgesamt schrumpfendem
     Stellenvorrat.
    2. Der Ausleseprozeß unter den Trabanten führt zu Konzentrationsprozessen zweiter Ordnung. Der Diener vieler großer Herren
     wird schließlich selber groß, zum Gestirn mit eigener Gefolgschaft. Das Drohpotential starker Auftragnehmer speist sich aus
     ihrer strategischen Position. Der Produktionsfluß ganzer Branchen hängt von ihnen ab. Das aufgespaltene Ganze wird komplexer,
     aber auch störanfälliger. Lagern Unternehmen Arbeit im globalen Maßstab aus
(Off
shoring
)
, liefern sie sich darüber hinaus fremden kulturellen Kontexten, unvorhersehbaren politischen Turbulenzen, jederzeit möglichen
     Währungsschwankungen und Währungskrisen aus. Sie ringen mit wachsendem Koordinationsbedarf, mit hoher Fluktuation und Qualitätsproblemen,
     müssen Arbeitskräfte rund um den Erdball rekrutieren, anlernen, ausbilden, an gerade ihre Arbeitsweise und Geschäftsphilosophie
     eigens gewöhnen. Um den Mehraufwand zu rechtfertigen, muß das Lohngefälle hoch sein, so hoch, daß die Begleiterscheinungen
     minimaler Löhne, allgemeine Unterentwicklung, Bildungs- und Infrastrukturdefizite den langfristigen Erfolg oftmals erneut
     in Frage stellen. Zunehmende Ungewißheit oder ausbleibender Erfolg setzen das Zeichen zur Umkehr, zur Wiedereingliederung
     bereits verselbständigter Einheiten ins Stammunternehmen. Beide Tendenzen sind vorhanden, wobei Auslagerungs- und Dezentralisierungsprozesse
     derzeit dominieren.
    Mehr Markt und mehr Marktvergesellschaftung nach innen wie nach außen, in horizontaler wie in vertikaler Hinsicht; |110| eine neue Runde kapitalistischer Landnahme in der Breite und in der Tiefe des sozialen Raums; Abtretung operativer Sorgerechte
     an nachgeordnete Einheiten, die das Eigentliche und Heilige des modernen Eigentumsverständnisses nur desto schärfer hervortreten
     lassen – Verfügung über den fremden Willen als formell freien Willen –, das ist die strategische Matrix des kosmopolitischen
     Kapitalismus. Die optimistische Prognose für die Unternehmen, die sich darauf stützen, ist identisch mit der schlechten Nachricht
     für die »gute« Arbeit.
    3. Abtragung der Lasten nach unten ist ein Grundprinzip der modernen Architektur, das die Konstruktion und den Bau großer,
     in die Höhe strebender Bauwerke selbst auf kleiner Grundfläche ermöglicht. Ungeachtet ihrer oftmals raumgreifenden Dimensionen
     wirken sie leicht, anmutig, nahezu schwerelos. Das moderne Eigentum an Produktionsbedingungen richtet seine soziale Architektur
     an denselben Grundsätzen aus, trägt die mit ihm verbundenen

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