Bufo & Spallanzani
Gesicht sieht, sieht keinen Albtraum. Offensichtlich war die Nacht für sie auch nicht besonders angenehm gewesen.
»Dann frühstücke.«
»Ist kein Schwarzbrot da?«
»Nein, leider nicht.«
Minolta nahm ein Stück geröstetes Brot und biß hinein. Dann noch einmal. Und noch einmal.
»Lecker, dieses Brot. Wie hast du das gemacht?«
»Im Ofen. Ich habe ein zwei Tage altes Brot in ganz dünne durchsichtige Scheibchen geschnitten.«
»Köstlich. Aber Weißbrot ist ungesund, das weißt du. Alle Jubeljahre mal, höchstens.«
»Tja, ich muß gehen«, sagte ich. »Bist du hier, wenn ich zurückkomme?«
»Vielleicht.«
»Ich komm’ früh.«
Als ich ins Büro kam, legte ich die Notizen, die ich in der Nationalbibliothek gemacht hatte, auf den Schreibtisch und fing an, einen Bericht für Dr. Zumbano, den Leiter der Abteilung Geheime Überprüfungen der Panamericana, zu tippen. Ich sprach von der Kröte, die ich in der Wohnung von Dona Clara Estrucho gefunden hatte, von dem Pyrethrum parthenium, den Forschungen von Davis, Kobayashi und Nobre Soares. Obwohl ich mehrfach unterbrochen wurde – einmal durch Zilda, die am Telefon sagte: »Will diese Rumtreiberin dableiben?« (Sie hatte in meiner Wohnung angerufen, und Minolta hatte abgenommen.) »Schmeiß diese dreckige Hündin raus, sonst siehst du mich nie wieder!« –, gelang es mir, einen klaren, knappen und fundierten Bericht über den Fall Maurício Estrucho zu schreiben und darzulegen, daß die Panamericana meiner Ansicht nach Opfer eines Betruges geworden war. »Der machiavellistischste, durchtriebenste Betrug in der Geschichte des brasilianischen Versicherungswesens«, schloß ich meinen Bericht.
Dr. Zumbano empfing mich nicht.
»Er ist sehr beschäftigt«, sagte Dona Duda.
»Er hat gesagt, ich soll heute vormittag zu ihm kommen. Ich habe ihn am Freitag zu Hause angerufen. Die Angelegenheit ist dringend.«
»Aber er ist sehr beschäftigt. Eine Direktionsangelegenheit.« Zum erstenmal schenkte Dona Duda mir keine Praline aus dem unerschöpflichen Vorrat in ihrer Schublade. Ob meine Hartnäckigkeit sie störte?
»Dann tun Sie mir bitte einen Gefallen und geben ihm diesen Bericht. Aber zeigen Sie ihn bitte niemandem sonst. Geben Sie ihn ihm persönlich.«
»Mache ich.«
»Es ist sehr wichtig.«
»Ist gut.«
»Es ist sehr, sehr wichtig.«
»Ich weiß.«
»Geben Sie ihn nur ihm.«
»Ich sage doch, Sie können sich drauf verlassen.«
Ich überreichte ihr den Bericht, wartete, bis sie ihn in die Schublade gelegt hatte und schenkte ihr beim Gehen mein allerfreundlichstes Lächeln, wobei ich sämtliche Zähne entblößte. Sie reagierte nicht.
»Zilda hat gerade angerufen«, sagte Gomes, als ich in unser Zimmer zurückkam.
»Ich habe Dr. Zumbano einen Bericht über den Fall Estrucho gebracht.«
»Sie hat gesagt, sie fährt zur Wohnung und wirft das Mädchen raus.«
»Wie bitte?«
»Sie hat sich anders ausgedrückt. Sie hat gesagt, ich jag’ diese widerliche Hochstaplerin, diese Nutte, mit Fußtritten davon.«
Ich griff zum Hörer und rief zu Hause an. Das Telefon klingelte lange, ehe Minolta abnahm.
»Du hast mich bei meiner transzendentalen Meditation gestört«, sagte sie.
»Schieb den Riegel an der Tür vor und laß keinen rein. Und schon gar nicht Zilda.«
»Mach’ ich«, sagte Minolta und legte auf.
»Probleme, was?« sagte Gomes und sah mich schief an.
»Nein. Nein. Alles okay.«
»Kämm dir die Haare«, sagte Gomes.
»Ich muß mit Dr. Zumbano sprechen.«
»Ein Grund mehr, dir die Haare zu kämmen.«
»Ich hab’ keinen Kamm.«
»Ich leihe dir meinen.« Gomes reichte mir einen schwarzen Kamm, dessen Zinken von Schuppen grau waren. Gomes’ Jackett war immer voller Schuppen.
»Nein, vielen Dank.«
Dr. Zumbano wollte gerade weg, als ich versuchte, mit ihm zu sprechen.
»Worum geht’s? Ich bin in Eile«, sagte er, als ich ihn fragte, ob ich ihn kurz sprechen könne. Dona Duda wirkt gereizt.
»Über den Fall Estrucho. Haben Sie meinen Bericht gelesen?«
»Ja. Hab’ ich. Gerade eben.«
»Ich meine, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, ich wette, wenn wir das Grab öffnen lassen, finden wir niemanden da drin«, sagte ich.
»So einfach sind die Dinge nicht, Canabrava«, entgegnete Zumbano und hielt einen gewissen Abstand zu mir. »Ich muß mit Ribeiroles reden. Das ist eine heikle Angelegenheit.«
»Dr. Zumbano, das Grab ist leer. Da ist keiner drin. Davon bin ich felsenfest überzeugt.«
»Felsenfest überzeugt sein ist
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