Bufo & Spallanzani
immer gefährlich«, sagte Zumbano. »Und außerdem, welche Beweise haben wir? Haben Sie vergessen, daß unsere Ärzte ihn untersucht haben? Der Mann ist tot.«
»Er befand sich in einem Zustand tiefer Katalepsie.«
»Tiefer Katalepsie?«
»Haben Sie meinen Bericht nicht gelesen?«
»Ja doch, ich habe ihn gelesen. Wissen Sie, wie der mir vorkommt? Wie ein Bericht, der die Existenz von fliegenden Untertassen oder von außerirdischen Wesen beweisen will.«
»Ich glaube nicht an fliegende Untertassen.«
»Das merkt man nicht.«
»Und wenn die Aktionäre erfahren, daß wir nichts zur Verteidigung ihrer Interessen getan und zugelassen haben, daß die Gesellschaft um eine Million Dollar geschädigt wurde?«
Dr. Zumbano unterbrach mich:
»Soll das eine Drohung sein?«
Richtig. Ich war dabei, Dr. Zumbano zu drohen. Als mir das klar wurde, schämte ich mich. Ich wollte Dr. Zumbano nicht drohen. Ich wollte ihn überzeugen, ihn vielleicht überreden, das zu tun, was ich im Interesse der Gesellschaft für das Beste hielt. Aber nicht ihm drohen.
»Nein, ich will Ihnen nicht drohen.«
»Seien Sie sich nicht zu sicher. Es gibt keine absolute Wahrheit.«
»Ich weiß. Aber die einfache Wahrheit, die gibt es, oder?«
Zumbano machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Wenn die Wahrheit relativ ist, ist auch die Unwahrheit relativ … Da sehen Sie mal, wie anregend das Denken ist«, sagte Dr. Zumbano. Er zog ein Notizbuch aus der Tasche. »Ich notiere mir alle Gedanken, die ich für wichtig halte, alle Gedanken, die mein geistiges Gut bereichern können.« Er wiederholte laut, während er sich notierte: »Wenn die Wahrheit relativ ist, ist auch die Unwahrheit relativ.«
Dieser Aphorismus stammt von Nietzsche, er steht in Also sprach Zarathustra, einem der langweiligsten Bücher, die ich in meinem kurzen, dürftigen Leben gelesen hatte. Ich überlegte, ob ich das Dr. Zumbano sagen sollte, fand es dann aber besser, den Mund zu halten. { * }
»Und nun?«
»Was und nun?«
»Mein Bericht?«
»Gedulden Sie sich, Canabrava. Ich habe ihn Dr. Ribeiroles weitergegeben, ich brauche eine Stellungnahme der Rechtsabteilung.«
Nach diesen Worten drehte er mir den Rücken zu und ging, mit einem deutlichen Ausdruck von Ungeduld und Gereiztheit im Gesicht. Und in den Armen. Als wehrte er im Gehen einen Bettler ab, der ihn am Jackenärmel gepackt hatte.
Als ich nach Hause kam, saß Minolta mit Leinwand, Pinseln und Farbtuben am Wohnzimmertisch.
»Ich hab’ etwas Knete in der Schublade gefunden, und mir davon dieses Zeug zum Malen gekauft. Kriegst es später zurück. Ich male gerade ein Bild, Albtraum an einem sonnigen Morgen, aber guck nicht her, ich mag das nicht, wenn man meine Bilder ansieht, während ich male. Ach ja, diese Person war hier.«
»Wer?«
»Deine Ehemalige. Ziemlich streitsüchtig, die Gute. Aber egal.« Minolta malte weiter.
Das Telefon klingelte.
Es war Zilda.
»Du elender Wurm! Dieses Weibsstück aus der Gosse hat mich fast umgebracht. Ich bin voll mit blauen Flecken, so hat sie mich verprügelt. Nur damit du Bescheid weißt, du stinkender Furunkel, ich geh’ zur Polizei und zeig’ die an. In den Knast gehört die, diese Hure, dieses mordlüsterne Weib.«
»Aber was ist denn passiert, Zilda?«
»Was ist passiert, Zilda? Diese Rumtreiberin, Geistesgestörte mit Schwarzem Gürtel, die hat mich verprügelt. Karatemeisterin ist sie, hat sie gesagt, und das macht es noch gemeiner, daß sie mich angegriffen hat. Die soll im Knast vergammeln, oder ich schieß’ dir eine Kugel zwischen die Hörner.«
»Nun mal ruhig, Zilda.«
»Entweder du schmeißt sie raus, oder ich komm’ mit der Polizei. Ich geh’ zur Beweisaufnahme. Die wird schon sehen, mit wem sie sich angelegt hat. Du wirst schon sehen, mit wem du dich angelegt hast.«
Sie stieß noch ein paar Drohungen aus, dann knallte sie mir den Hörer ins Ohr.
Minolta malte unterdessen ruhig an ihrem Bild weiter.
»Gibt’s Stunk?« fragte Minolta.
»Sie hat gesagt, du hättest sie geschlagen.«
»Umgekehrt, sie wollte mich schlagen. Da hab’ ich sie mir vom Hals gehalten.«
»Bist du Karatemeisterin?«
Minolta lachte.
»Das hab’ ich nur gesagt, damit die Gnädige Angst kriegt. Sie hat rumgeschrien, worauf ich gesagt hab’, sie soll still sein. Da hat sie gefragt: ›Du Miststück willst mich zum Schweigen bringen?‹ Ich hab’ die Hände so gehalten, wie man das immer im Kino sieht, und gesagt, ich bin Karatemeisterin, dann bin ich auf sie losgegangen
Weitere Kostenlose Bücher