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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Loher
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Loopings durch dunkelgraue, schmutzigweiße Wolkenberge, während der Himmel um sie herum die Farbe von mattem Stahl annahm, was, wie sie sich beide kennerhaft mittels Gesten versicherten, ein Zeichen dafür war, dass es bald einen Wolkenbruch geben würde.
    Miguel drehte sein Gesicht immer wieder zu Jordi und rief ihm fast pausenlos etwas zu, wovon Jordi nicht das Geringste verstand, jeder Ton ging im Rotorgeräusch der Maschine unter. Dennoch schien es ihm ausnehmend interessant, Miguels Mund dabei zu beobachten, wie er sich öffnete und schloss und sich bemühte, entzifferbar zu sprechen, so dass er Lippen und Zunge übertrieben deutlich und langsam bewegte; dabei lachte er die ganze Zeit ohne ersichtlichen Grund, wahrscheinlich, weil es ihm so viel Spaß machte, in Jordis Traum herumzufliegen.
    Dann tauchte unter ihnen ein Tepui auf, ein Berg mit flachem Gipfelplateau, und es war merkwürdigerweise der einzige Tepui weit und breit, obwohl es hier von Tepuis nur so wimmeln müsste, dafür war die Gegend schließlich bekannt, nichts davon. Sie flogen auf diesen einen Tepui zu, der ein außergewöhnlich schöner Tepui war, das musste man sagen, mit Wänden, die dreitausend Meter steil aufragten, tiefbraunen Felswänden, deren Kanten vom Wind und der Zeit rundgeschmirgelt waren, und einer smaragdgrün schimmernden Hochebene. Das Smaragdene musste die Vegetation sein. Der Tepui sah ungefähr so aus wie der überdimensionale Stumpf eines Mammutbaumes, auf dessen Schnittfläche sich eine Landschaft aus Moos gebildet hat. Miguel und Jordi landeten auf dem Smaragdgrün, und als sie ausstiegen und den Boden berührten, war es nicht so, wie Jordi einen Moment befürchtet hatte, dass er weich war und unter ihnen nachgab, er war genauso fest und stabil wie ein Felsboden sein soll, nur dass sie durch die dicke Moos- und Grasschicht auf ihm liefen wie auf einem federnden Humuspolster. Die Hochebene schimmerte und leuchtete in allen Schattierungen, die von Grün vorstellbar waren, zart zitternde, hell durchscheinende Farnflügel wuchsen neben dickleibigen Sträuchern mit gedrehten Ästen und krausen Blättern, fettblättrige Sukkulenten neben Bambushorsten, mannshohen Schilfgräsern, und dort schlangen und rankten sich fingerdünne Stämmchen, die aussahen wie aus Gummi, zu Hunderten umeinander und bildeten einen einzigen dicken Stamm, der, wenn er vom Wind berührt und gebogen wurde, leise quietschte. Trotz all dieser Wucherungen konnten Miguel und Jordi in jeder Himmelsrichtung über den Rand des Plateaus hinaus und bis zum Horizont sehen, in einem 360-Grad-Panorama lag das Land vor und unter ihnen, und es bestand in jeder Himmelsrichtung aus nichts anderem als Wäldern, Lichtungen, Flussläufen, kleinen Seen und Sümpfen. Und wieder Wäldern. Erstaunlicherweise war es ziemlich still hier oben, es schien keine Vögel, ja überhaupt keine Tiere zu geben oder wenn, waren sie weder zu sehen noch zu hören. Das einzige Geräusch – von den Gummibäumen und dem Tuscheln der übrigen Flora abgesehen – war der Wind. Sie selber machten keinen Versuch zu sprechen. Jordi hatte das Gefühl, der Ton seiner Stimme würde in den unendlich tiefen Trichter dieser Lautlosigkeit fallen und dort für immer verschluckt werden.
    Stattdessen fing die Vegetation zu ihren Füßen an, sich in zeitrafferhafter Schnelligkeit zu verändern, Gräser, Pilze, Blumen und ganze Büsche sprossen in Sekunden aus dem Boden, verästelten, verzweigten und vermehrten sich, bildeten Ableger, warfen Samen aus und wuchsen mannshoch heran und verblühten, verwelkten, zerfielen und verfaulten dann ebenso schnell. Gleichzeitig zogen die Wolken immer rasanter vorbei, nur die Tageszeit blieb seltsamerweise dieselbe. Es gab keinen Lichtwechsel, keinen Dämmer und keine Nacht; sie befanden sich in einem ewigen Tag.
    Als Jordi sich umsah, merkte er, dass ihr Flugzeug vollkommen zugewachsen war. Großblättrige Schlingpflanzen hatten sich um Leib und Propeller gewickelt und hielten die Maschine fest in ihren rankenstarken Armen.
    Wir müssen hier weg, dachte Jordi; er wollte Miguel an der Hand nehmen, aber Miguel war verschwunden, und Jordi nahm, ohne im Geringsten darüber nachzudenken, Anlauf, breitete die Arme aus und schwebte, er schwebte leicht, dann flog er ganz selbstverständlich über die Kante des Plateaus hinaus. Er flog, die Landschaft unter sich, und bevor er sich wundern konnte, tauchte unter ihm die Plaza Central auf, die Plaza Central in Ciudad Bolivar, wo

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