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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Loher
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er Jimmy Angels Flugzeug gesehen hatte. Er landete, eine Menschenmenge versammelte sich umgehend auf dem kleinen, freundlichen Platz. Er begriff, dass sie ihn für ein Flugzeug hielten und dass er hier, auf dem zentralen Dorfplatz, ausgestellt werden sollte; er war das Flugzeug, das 33 Jahre lang auf dem Hochplateau herumgestanden hatte und das nun geborgen worden war und restauriert werden würde.
    »Nein«, rief er und winkte ab. »Nein, nein, ich bin kein Fluzeug, ich bin ein U-Boot.«
    Als er das gesagt hatte, brachen die Leute um ihn herum in lauten Jubel aus und applaudierten und warfen ihre Hüte in die Luft, denn unter ihnen waren zahlreiche Pemón-Indios, die hohe schwarze Hüte aus Palmfaser trugen.
    »No soy aviên, soy submarino«, Jordi drehte sich um, und der venezolanische Platz war verschwunden; stattdessen lag vor ihm der Hafen von Ascona, und er stand direkt in der Mitte der Uferpromenade. Er erschrak. Wie war er nach Hause gekommen? Warum musste er hier sein? Wo war Miguel? Und warum war er ein U-Boot, er hatte doch nicht mal einen Schnorchel dabei –.

34
    In der ersten Juniwoche begann der Prozess gegen die drei jungen Männer, Valon, Ilija und Branko, die angeklagt waren, Luca in der Fastnacht ermordet zu haben. Der Prozess war auf fünf volle Tage angesetzt, die Urteilsverkündung sollte nach einem Tag Beratung am Dienstag der folgenden Woche stattfinden.
    Schon am ersten Tag der öffentlichen Verhandlung war der Andrang von Zuschauern so groß, dass man nach längerem Hin und Her die offiziellen Beobachter und Berichterstatter in den Saal einließ, der dann ohnehin voll war, und die Privatpersonen auf den folgenden Tag vertröstete; bis dahin wollte man eine Video-Übertragung in einen der angrenzenden Gerichtssäle eingerichtet haben. So geschah es dann auch.
    Die Verhandlung verlief ohne Überraschungen. Die drei Angeklagten sagten nur das Nötigste, zeigten sich weitgehend reuelos, und wenn sie irgendetwas bedauerten, dann vor allem, so schien es jedenfalls, dass sie sich selber in diese Lage gebracht hatten. Die Verletzung, an der Luca gestorben war – und das war vermutlich das Außergewöhnlichste an den Tatumständen –, war ein selten vorkommender Riss der Arterie, die ins Gehirn führte; dieser Riss wurde durch eine genauso seltene Überdehnung bei gleichzeitiger Drehung des Kopfes verursacht; eine Belastung, der der Körper normalerweise nicht ausgesetzt ist, die aber dadurch ausgelöst wurde, dass Luca überraschend von hinten gegen den Kopf und in den Nacken getreten wurde, ohne die geringste Möglichkeit, sich gegen diese Tritte zu schützen oder zu wehren. Der durchsichtige und schäbige Versuch der Verteidigung, die zu diesem Zweck einen eigenen medizinischen Gutachter aufgeboten hatte, die Todesursache nicht auf den Überfall, sondern auf eine abnormale physiologische Veranlagung Lucas zurückzuführen, hatte helle Empörung beim Publikum und beißende Ironie beim Vorsitzenden zur Folge, und besagter Gutachter gab damit sich und seinen wissenschaftlichen Ruf der Lächerlichkeit preis.
    Am Ende wurden zwei der Angeklagten wegen vorsätzlichen Mordes zu zehn und zehneinhalb Jahren Haft verurteilt, der dritte, dem eine unmittelbare Beteiligung an den tödlichen Schlägen nicht nachgewiesen werden konnte, wegen Überfalls zu zweieinhalb Jahren.
    Das Urteil überraschte niemanden, am wenigsten die Verteidigung.
    Während des Prozesses wurden die Details aus den Lebensläufen der drei Angeklagten, deren Familien Mitte der achtziger Jahre aus einer kleinen bosnischen Stadt in die Schweiz gekommen waren, von den Zeitungen verhältnismäßig sachlich geschildert; sichtlich bemüht, fremdenfeindlichen Stimmungen keine weitere Nahrung zu geben. Ohnehin war wenig Spektakuläres zu berichten; was bekannt wurde, ergab das triste Bild von jungen Leuten zwischen Langeweile und Überforderung, die nicht wissen, was sie tun. Und deren Lebensgefühl man vermutlich so zusammenfassen könnte:
Was soll der ganze Scheiß?

35
    Es dauerte eine Woche, das havarierte Boot hochzuholen und an Land zu bringen, Jordi musste einen Spezialkran besorgen, und das ganze Taucherteam – Berta, Giuseppe, Ladislas und Piero – war im Einsatz. Es war die Woche, in der der Prozess stattfand. Eine merkwürdige Situation, in die er da geraten war, dachte Jordi, dass er jetzt sein eigenes Arbeitswerkzeug bergen musste. Aber er tat es, und als sie damit fertig waren – es war der Tag, an dem das Urteil verkündet

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