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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Loher
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mehreren Flaschen Champagner, und weil es draußen stürmte, hatten sie das Golf-für-Innenräume-Set mitgebracht. Das Abendessen zog sich hin, weil Patrizia und die beiden Mädchen jede einen Gang gekocht hatten und die gebührende Aufmerksamkeit dafür verlangten; Patrizias Vater bekam zwischendurch einen Schwächeanfall, von dem man nicht wusste, ob er gespielt war oder echt; er musste sich theatralisch auf dem Sofa niederlegen und bekam Eiswürfel auf die Stirn. Dann schlief er für ein halbes Stündchen ein und war danach so munter wie zuvor. Sie sprachen nicht darüber, in Patrizias Haus wurden Stimmungen und Krankheiten niemals kommentiert, das war eine Art ungeschriebenes Gesetz, für das Jordi nie den Grund herausgefunden hatte. Nach dem Essen spielten sie zusammen mehrere Runden Golf-für-Innenräume, woran auch der Hund teilnahm. Er beherrschte das Kunststück, den vorbeirollenden Ball mit dem Maul zu fangen und dann zur Lochmarkierung zu rennen und dort sitzen zu bleiben, so dass sie die Regel des Hunde-Einputtens einführten, was ihnen allen zu mehr Punkten als üblich verhalf.
    Patrizia war während des Essens hinausgelaufen, sie brachte die Blumenkübel des Innenhofes in Sicherheit, fuhr die Autos in die Garage und klappte in der oberen Etage die Fensterläden zu. Jordi, der wegen des Sturms immer wieder besorgt nach draußen ging, um den Himmel zu beobachten, wusste keinen Rat, als gegen das Unwetter anzutrinken. Jetzt auf den See hinauszufahren war undenkbar, das Arbeitsboot in den Hafen zu holen, dafür war es ohnehin zu spät. Er rauchte, hörte auf die Stimmen und das Gelächter von drinnen, das Wort »ausgelassen« kam ihm in den Sinn, das er lange nicht gedacht hatte. Ausgelassen sind sie, ausgelassen. Wie schön das ist, dachte er, wie schön, so ausgelassen sein zu können. Gleichzeitig kam ihm zu Bewusstsein, wie wenig das Wort auf ihn selber zutraf, dass er nie so würde sein können, immer war da ein Schmerz, und für ein paar stechende und trostlose Augenblicke fühlte er sich weit von den anderen entfernt.
    Als Jordi am anderen Tag, wie immer früh im Morgengrauen, die Uferstraße entlangfuhr, war der See blankgefegt, die Oberfläche leer. Das Wasser lag eben da, kräuselte sich in kleinen dunkelgrauen Wellen, von dem Pontonboot weit und breit nichts zu sehen. Jordi mochte es nicht glauben. Es konnte unmöglich sein, dass sein Arbeitsboot, das so viele Stürme ohne Schaden überlebt hatte, diesem einen Unwetter nicht standgehalten hatte. Es war ja kein leichtes Motorboot, kein Segler, keine Jolle, das Ding wog immerhin achteinhalb Tonnen. Achteinhalb Tonnen! Jordi kniff die Augen zusammen, riss die Augen auf. Nichts. Dass sich die Plattform von einer der Verankerungen losgerissen hatte, damit hatte er gerechnet, im unwahrscheinlichsten Fall von allen. Aber selbst wenn alle vier Halteseile gerissen wären, wäre das Boot abgetrieben und an einem Ufer gelandet, vielleicht dümpelte es auch an irgendeiner anderen Stelle des Sees, er dachte den Strömungen hinterher, aber bei dem gestrigen Sturm war jede Richtung möglich und gleich wahrscheinlich.
    Er wollte es nicht glauben. An der Stelle, an der die Plattform gelegen hatte, war nicht einmal mehr eine einzige Boje zu sehen.
    Jordi rauchte ein paar Zigaretten, während er an der Uferrampe stand, an der Leoni Zippo und der Zöllner Aldo vor 72 Jahren das Auto ins Wasser gestoßen hatten. Sein Körper fühlte sich an, als würde er von einem der Betonblöcke, die er sonst für die Bojen benutzte, nach unten gezogen. Wem gehörte er. Er, Jordi. War er Teil des Sees, Teil des Wassers, Teil des Schlamms, was tat er hier eigentlich, und für wen, wozu. Er dachte an Angel Falls, an das namenlose Dorf unweit von Santa Elena, die Hütte, in der er dort zuletzt gelebt hatte, die Dichte des Urwalds, den Lärm, der dort Tag und Nacht herrschte, den Lärm der Vögel, der Wasserfälle und der durchs Unterholz brechenden Wasserschweine. Er dachte an die trägen Bewegungen der Baumschlangen, an ihre muskulöse Schnelligkeit, die Zartheit ihrer Haut. Er dachte an die Blicke der Indios, die ihn zum Jagen mitnahmen und ihm alle diese Wunder zeigten. Gegen Bezahlung natürlich, denn eine wahre Freundschaft, so wie die zu Miguel, brauchte, erst recht, wenn sie im Tausch gegen Geld begonnen hatte, Jahre, um zu wachsen und sich von dem einmal bezahlten Eintrittspreis freizumachen. Er dachte an Miguel, der sein Freund war, und der bereit gewesen war, mit ihm

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